Peter Klotzki (Foto: BFB e. V.); Bumerang-Effekt: Qualität ist kein Zufall und zahlt sich aus

Peter Klotzki (Foto: BFB e. V.); Bumerang-Effekt: Qualität ist kein Zufall und zahlt sich aus

Aus der Defensive!

Für eine starke Zukunft der Freien Berufe im europäischen Rahmen

Von Peter Klotzki, Hauptgeschäftsführer BFB

„Die EU steckt nicht nur in einem Formtief, sondern ist in wirklich schlechter Verfassung, Veränderungen sind unausweichlich.“, schrieb BFB-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer anlässlich der Wahl zum Europäischen Parlament. Er betonte, dass eine starke und einige EU noch nie so wichtig gewesen sei wie heute, auch über ihre eigenen Grenzen hinaus. „Sie ist unverzichtbar für eine stabile Weltordnung, Freiheit, Frieden, demokratische Verhältnisse, gesellschaftliche Stabilität und wirtschaftlichen Wohlstand.“

Doch ihre Akzeptanz ist in der Bevölkerung im Allgemeinen erschüttert und auch bei den Freiberuflern im Speziellen. Das verwundert nicht: Gerade die von der EU-Kommission initiierte EU-Politik besteht zu oft daraus, Regulierung vor allem im europäischen Kräftefeld zu beanstanden, verbunden mit der Absicht, das System aus Regeln für den Berufszugang und Berufsausübung auszuhebeln. Das in den Europäischen Verträgen festgelegte Subsidiaritätsprinzip scheint in dieser platten Sicht auf Deregulierung keinen Wert zu haben, favorisiert wird zunehmend eine zentralistischere Politik.

Freie Berufe im Dauerfeuer

In den vergangenen Jahren sind immer wieder neue Richtlinien auf die Freien Berufe „eingeprasselt“ – Dienstleistungsrichtlinie, Berufsanerkennungsrichtlinie, Verhältnismäßigkeitsrichtlinie. Das Dauerfeuer setzt die Freien Berufe erheblich unter Druck. Bis Ende Juli 2020 müssen alle Berufsanerkennungsvorschriften, die unter den Anwendungsbereich der Berufsanerkennungsrichtlinie fallen, unter den Vorgaben der Verhältnismäßigkeitsrichtlinie begründet werden. Der hohe Einsatz, der damit verbunden ist, dürfte in der Breite vieler Freier Berufe noch nicht vermessen sein.

Ganz besonders auch die Steuerberater sind aktuell durch die Widersprüche aus Brüssel belastet: Auf der einen Seite werden im Rahmen der Berufsanerkennungsrichtlinie die Anforderungen an den Berufszugang und die Ausübung gesenkt, auf der anderen sollen sie zu immer mehr Meldepflichten von Steuermodellen gezwungen werden.

Bürgerferne Politik

Diese Politik bedient genau den Vorwurf, bürgerfern zu sein. Eine lebensnahe Politik muss berücksichtigen, dass die Wirklichkeiten der Bürger lokal bestimmt sind. Der Gedanke der Subsidiarität des Europarechts soll genau dies berücksichtigen. Eine gute Versorgung mit qualitativ hochwertigen freiberuflichen Dienstleistungen macht eine Region lebenswert. Das System der Kammern und Berufsregularien sichert Qualität sowie Verbraucherschutz und entlastet die staatlichen Verwaltungen. Eine reine Betrachtung nach marktökonomischen Gesichtspunkten greift in diesem Bereich der Vertrauensgütermärkte zu kurz. Diesen auch durch Studien belegten Erkenntnissen hat sich die EU-Kommission in ihrer Generaldirektion Binnenmarkt stets verschlossen.

Nicht dem Schicksal ergeben

Doch Schicksalsergebenheit ist falsch am Platz. Denn wir sehen gerade nach der EU-Parlamentswahl eine ganze Reihe von Chancen.

  1. Mit der neuen, überraschend präsentierten deutschen EU-Kommissarin Ursula von der Leyen könnte ein anderes Verständnis für die Freien Berufe in die Arbeit der Kommission Einzug halten. Sie steht dafür, in der Ausübung ihrer Ämter zu gestalten und Veränderungen anzustoßen. Sie hat auch die Akzeptanz „schwieriger Regierungen“. Wir haben ihr schon signalisiert, dass wir uns einen aktiven Austausch wünschen, der sich nicht von vornherein der Bereitschaft eines Umdenkens und der Veränderung bisheriger Binnenmarktpolitiken verschließt.
  2. Die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands ab Juli 2020 ist eine Chance, unsere Werte und Leistungen intensiv zu platzieren. Schon jetzt bereitet sich der BFB darauf vor, den Vorsitz Deutschlands ab 1. Juli 2020 zu nutzen. Dabei ist bereits eine Auftaktveranstaltung zusammen mit der Ständigen Vertretung in Brüssel in Planung. Zudem ist eine intensive Begleitung der eingebundenen Bundesministerien vorgesehen.
  3. Sehr wertvoll ist die Arbeit der Vertretungen der einzelnen Fachverbände des BFB, die in der ständigen Repräsentanten-Runde koordiniert werden. Einzelne Mitgliedsorganisationen bauen dabei ihre Einheiten noch aus, wie aktuell die Bundessteuerberaterkammer und der Deutsche Steuerberaterverband. Wir könnten auch darüber nachdenken, noch offensiver mit den Werten der Freiberuflichkeit zu werben. Die Freien Berufe sind wertvoll – auch für den europäischen Binnenmarkt. Mit dem Label „Europäische Charta der Freien Berufe“ verbindet sich eine Gegenbewegung. Auf der Grundlage stärkerer Thematisierung der Werte und Leistungen soll das Verbraucherinteresse adressiert werden. Denn der Verlierer weiterer Deregulierung wäre der Verbraucher. Die EU muss den Mehrwert der Freien Berufe für die europäische Gesellschaft anerkennen und sich weiterentwickeln, sie muss die Freien Berufe nicht ausschließlich auf Grundlage eines stumpf preisorientierten Blicks betrachten, sondern nach ihrer Qualität.
  4. Wir könnten auch darüber nachdenken, noch offensiver mit den Werten der Freiberuflichkeit zu werben. Die Freien Berufe sind wertvoll – auch für den europäischen Binnenmarkt. Mit dem Label „Europäische Charta der Freien Berufe“ verbindet sich eine Gegenbewegung. Auf der Grundlage stärkerer Thematisierung der Werte und Leistungen soll das Verbraucherinteresse adressiert werden. Denn der Verlierer weiterer Deregulierung wäre der Verbraucher. Die EU muss den Mehrwert der Freien Berufe für die europäische Gesellschaft anerkennen und sich weiterentwickeln, sie muss die Freien Berufe nicht ausschließlich auf Grundlage eines stumpf preisorientierten Blicks betrachten, sondern nach ihrer Qualität.

Berufsregeln rückversichern die Qualität

Wir zeigen es doch täglich: Der Kunde kommt zurück, nicht die Dienstleistung. Qualität ist kein Zufall. Die Berufsregeln rückversichern die Qualität. Der positive „Bumerang-Effekt“ beruht nicht bloß auf Vertrautheit und Tradition, sondern auch darauf, dass durch Berufsrecht und Selbstverwaltung die Einhaltung einschlägiger Standards und die Gewährleistung überaus hoher Qualität der Dienstleistungen nachhaltig systemisch sichergestellt sind.

Und die Gemeinwohlorientierung, also die Ausrichtung des eigenen Tuns an übergeordneten, gesamtgesellschaftlichen Belangen, kann auch im europäischen Kontext nicht schaden – im Gegenteil. Sie geht aber einher mit einem Rahmen, für den wir im Übrigen auch eine starke ökonomische Begründung haben. Das Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) untersuchte 2017 die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Regulierung unserer Dienstleistungen. Es kam zum Ergebnis, dass Marktzutrittsregeln und Preisuntergrenzen Qualität sichern, Effizienz fördern und Wohlfahrtsgewinne bringen.

Die reine Empirie spricht ja ohnehin für die Freien Berufe: Die Zahl der selbstständigen Freiberufler kletterte 2019 auf 1.432.000. Das ist ein Plus von 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 1.407.000 Personen. Sie beschäftigen insgesamt rund 4.030.000 Personen, mithin 3,6 Prozent mehr – und auch die Prognosen sind anhaltend gut. Das ist viel wert in einer Zeit, in der über das „Ende der fetten Jahre“ spekuliert wird. So soll es auch in Zukunft bleiben und werden – in Deutschland und Europa!

Information

Die Freien Berufe sind ein wirtschaftliches, gesellschaftliches und politisches Schwergewicht. Der Bundesverband der Freien Berufe e. V. (BFB) vertritt als einziger Spitzenverband der freiberuflichen Kammern und Verbände die Interessen der Freien Berufe in Deutschland. Die Gemeinwohlorientierung ist ein Alleinstellungsmerkmal der Freien Berufe.

Weitere Informationen unter: freie-berufe.de

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Foto: karenfoleyphoto/adobe stock