Harald Elster
Der Bürokratieaufbau hat Hochkonjunktur
Angesichts der Flut neuer gesetzlicher Anforderungen ist eine starke Interessenvertretung wichtiger denn je
Datenschutzgrundverordnung, Geldwäschegesetz, Belegvorhaltepflicht, Anzeigepflichten: Zunehmend mehr bürokratische Herausforderungen treffen die Praxis. Viele sind wegen dieser Entwicklungen frustriert. Umso wichtiger ist eine starke Interessenvertretung für den Berufsstand durch den Deutschen Steuerberaterverband (DStV).
Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung und des Geldwäschegesetzes in den Kanzleien
Seit dem 25. Mai 2018 müssen die neuen Vorschriften der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Unternehmen, aber auch in Steuerberatungskanzleien umgesetzt werden. Ergänzend ist das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-2018) zu beachten, welches einzelne Regelungen der DSGVO auf nationaler Ebene ausfüllt.
Die Umsetzung der neuen Datenschutzregeln ist in Steuerberatungskanzleien oftmals mit erheblichem Aufwand verbunden. Dies betrifft beispielsweise die umfassenden Informations- und Dokumentationspflichten. So muss etwa ein umfassendes Verzeichnis aller Verarbeitungstätigkeiten geführt werden, das regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren ist. Außerdem bestehen umfangreiche Hinweispflichten zum Datenschutz gegenüber den Mandanten, deren Einhaltung zu dokumentieren ist. Kanzleien müssen zudem prüfen, ob sie einen Datenschutzbeauftragten benötigen, einen solchen ggf. benennen und der Datenschutzbehörde anzeigen.
Bis auf Letztere bestehen diese Pflichten unabhängig von der Kanzleigröße. Das bedeutet, dass insbesondere kleine und mittlere Kanzleien den gleichen Umsetzungsaufwand betreiben müssen wie große Unternehmen, die über entsprechend ausgestattete Rechts- und IT-Abteilungen verfügen. Für die Kanzleien ist es eine immense Herausforderung, neben dem Tagesgeschäft solche strategischen Großprojekte über einen langen Zeitraum intensiv zu betreuen. Um die Belastungen vor allem für kleine und mittlere Kanzleien in der Praxis abzumildern, hat der DStV gemeinsam mit der Bundessteuerberaterkammer Arbeitshilfen zum Datenschutz bereitgestellt. Sie sind unter www.dstv.de in der Rubrik „Praxistipps“ abrufbar. (Weitere Informationen dazu finden Sie auf den Seiten 28–29.)
Hinzu kommt, dass sich der Bürokratieaufwand durch weitere gesetzliche Anforderungen etwa im Bereich der Geldwäsche und des Transparenzregisters ohnehin deutlich erhöht hat. Der DStV hat hier vorzügliches Informationsmaterial zur Unterstützung der Berufsangehörigen erarbeitet und in der Verbandszeitschrift „Die Steuerberatung“ (2018, S. 163 ff.) veröffentlicht.
Belege vorhalten statt vorlegen – so die neue Devise
Für Steuererklärungen ab 2017 heißt es: Belege vorhalten statt vorlegen! Die Praxis zeigt ein anderes Bild: Das „ELSTER“-Merkblatt besagt, dass grundsätzlich keine Belege und separaten Aufstellungen mehr einzureichen sind. Aber die Formularanleitungen zu den Steuererklärungen stehen dazu im Widerspruch. Hier werden vielfach gesonderte Aufstellungen verlangt. Zudem haben Steuerpflichtige und deren Berater aufgrund der Mitwirkungspflichten ein berechtigtes Interesse daran, der Finanzverwaltung Belege zur Verfügung zu stellen. Andernfalls können sie haftungs- oder steuerstrafrechtliche Vorwürfe treffen.
Schließlich prallt die neue Devise auf den Amtsermittlungsgrundsatz. Finanzämter fordern Belege nach. Oder: Sie fordern sie nicht an und erlassen abweichende Bescheide. Ein Berater muss dann eine eigentlich finalisierte Steuerakte immer wieder öffnen. Der Steuerpflichtige wird u. U. sogar in ein Rechtsbehelfsverfahren gedrängt.
Grundsätzlich unterstützt der DStV den Regimewechsel. Denn auch die Beraterschaft wünscht sich die effiziente Abarbeitung der Fälle. Um allerdings dem aktuellen Chaos Herr zu werden, wäre zuvorderst der Abbau von Medienbrüchen wichtig. Ein Lichtblick, den der DStV seit Jahren nachdrücklich angemahnt hat: Das Projekt „NACHDIGAL“ der Finanzverwaltung zur elektronischen Belegeinreichung läuft inzwischen.
Es soll ab 2020 flächendeckend umgesetzt werden. Die Praxis wünscht sich zudem eine „Containerlösung“. Diese soll es erlauben, Dokumente einfach hochzuladen, damit die Finanzverwaltung sie bei Bedarf abrufen kann.
Aber noch ist es nicht so weit. Zu begrüßen ist derweil das Vorgehen der bayerischen Steuerverwaltung: Mit ihrer Empfehlung zur Belegvorlage für Steuererklärungen zeigt sie auf, welche Unterlagen eingereicht werden sollten, um spätere Rückfragen zu vermeiden. Der DStV regt seit 2012 eine entsprechende bundesweit einheitliche Harmonisierung an.
Zusammenarbeit des DStV mit der ETAF auf europäischer Ebene
Das Thema Bürokratie beschäftigt den DStV und seine Landesverbände auch auf europäischer Ebene: Spätestens seit der Veröffentlichung des EU-Dienstleistungspakets im Januar 2017. Seitdem ist allen klar, Bürokratie wird durch Brüssel nicht abgeschafft, vielmehr sieht sich unser Berufsstand immer neuen regulatorischen Herausforderungen aus Brüssel ausgesetzt. Beispielhaft sei hier das – inzwischen auch durch den Einfluss des DStV gestoppte – Projekt einer europäischen Dienstleistungskarte genannt.
Bereits früh hatte der DStV sich vor Ort in die Diskussionen eingebracht. Dabei arbeitet er auch intensiv mit europäischen Dachverbänden wie der European Tax Adviser Federation (ETAF) und der European Federation of Accountants and Auditors (EFAA) zusammen. Mit der ETAF hat sich der DStV dabei von Beginn an vehement gegen das EU-Dienstleistungspaket, aber auch gegen die EU-Richtlinie für eine Meldepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungsmodellen ausgesprochen.
Bei der Anzeigepflicht betonten die Organisationen, dass die beruflichen Besonderheiten der freien steuerberatenden Berufe auf europäischer Ebene gewahrt und geschützt werden müssen. Steuerberatende Berufe bedürften daher ausdrücklich berufsregulierender Maßnahmen. Diese gewährleisteten seit Jahrzehnten ein hohes Maß an Qualität, Vertrauen und Mandantenschutz. Ein unkontrolliertes Deregulieren unter gleichzeitigem Aufbau neuer Bürokratie oder ein Aufweichen der Verschwiegenheitspflicht würden unabsehbare negative Auswirkungen für den Berufsstand und deren Mandanten haben.
Überforderung aller Beteiligten in Sicht?
Ergänzend zur Umsetzung der EU-Richtlinie für die Meldepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen prüft der nationale Gesetzgeber eine rein inländische Anzeigepflicht. Das Hauptziel: Das frühzeitige Erkennen von unerwünschten Gesetzeslücken, um sie zeitnah zu schließen und Steuerausfälle einzudämmen.
Das Tempo, in dem die EU-Ebene ihr Vorhaben abgeschlossen hat, und dessen Resultat zeigen allerdings einmal mehr: Politischer Aktionismus führt zu überschießenden Gesetzen. Insbesondere die Unschärfe der Kriterien der EU-Richtlinie werden zu Meldungen führen, welche nicht die unerwünschten, sondern ganz alltägliche Gestaltungen aufzeigen. Bürokratische Kollateralschäden für alle Verfahrensbeteiligten sind vorprogrammiert: Die Betroffenen mühen sich mit der Pflichterfüllung ab, obwohl sie nicht die Verursacher des Gesetzes sind. Die zuständige Finanzbehörde kämpft sich durch die Informationsflut und läuft Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu entdecken. Die Bürokratie feiert fröhliche Zustände!
Seit dem Beginn der nationalen Überlegungen in 2016 führte der DStV einen intensiven Austausch mit Bund und Ländern, um sie für die Praxisbelange zu sensibilisieren. In seinen Gesprächen mit den maßgeblichen Vertretern aus Politik und Finanzverwaltung mahnt er: Der Gesetzgeber muss sich erst einmal Zeit nehmen, sich auf die Konkretisierung der EU-Vorgaben und anschließend auf die Sammlung von Erfahrungen mit dem neuen EU-Instrument zu konzentrieren. Er sollte einer neuen Bürokratie nicht gleich noch eine weitere hinzufügen.
Information
Der DStV repräsentiert 16 Mitgliedsverbände mit insgesamt rund 36.500 Mitgliedern. Damit vertritt er über 60% der selbstständig in eigener Kanzlei tätigen Berufsangehörigen.
Aktuelle Informationen über die Aktivitäten des DStV im Bereich der Interessenvetretung finden Sie unter www.dstv.de/interessenvertretung