Prof. Dr. Thomas Zinser bei einem Vortrag zum dualen Studium während des Zweigstellen-Stammtischs in Landshut
Duales Studium in Landshut: zwei Bildungsabschlüsse in Rekordzeit
Quantität und Qualität schließen sich nicht aus, erfordern aber Disziplin
Top-Karrierechancen, zwei Abschlüsse in vier Jahren, Praxis und Theorie in Kombination und das Ganze auch noch bezahlt – trotzdem ist ein duales Studium Steuern, also der Studiengang Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Steuern (B.A.) an der HAW Landshut, nichts für jedermann, denn die Anforderungen sind hoch. Das Angebot richtet sich gezielt an besonders leistungsstarke und aufstiegsorientierte Abiturienten.
Wir haben nachgefragt: bei der Berufsschule 2 Landshut, bei der Hochschule HAW Landshut, bei einer Studentin und einem Kanzlei-Inhaber. Was zeichnet das Landshuter Modell aus? Wo liegen konkret die Vor-, aber auch die Nachteile und wie lautet das jeweilige Fazit?
Der Faktor Zeit
Im sogenannten Verbundstudium, der Kombination aus Hochschulstudium und Berufsausbildung, verkürzt sich die Gesamtausbildungszeit signifikant. Die herkömmliche Ausbildungszeit beträgt insgesamt 6,5 Jahre (drei Jahre Ausbildung, dreieinhalb Jahre Studium). Durch die enge Abstimmung von Berufsschule und Hochschule sowie spezifischer Lehrinhalte verkürzt sich die Gesamtausbildungsdauer beim dualen Studium in Landshut jedoch auf vier Jahre. Mit anderen Worten: Innerhalb von vier Jahren wird ein von der Steuerberaterkammer anerkannter Berufsabschluss und ein akademischer Bachelorabschluss erworben. Dennoch gibt es keinen Qualitätsverlust: Der Theorieanteil des dualen Studiums entspricht zu 100 Prozent dem des regulären akademischen Studiums. Die Lehrinhalte des dritten Berufsschuljahres werden in Landshut in einer eigenen Förderklasse vorab vermittelt. Also auch hier kein inhaltlicher Verlust.
Karriere im Blick
Durch die enge Verzahnung von Theorie und Praxis an den drei Lernorten Kanzlei/Unternehmen, Berufsschule und Hochschule eröffnen sich den dual Studierenden optimale Karrierechancen. Bereits während des Studiums arbeiten sie aktiv in der Kanzlei mit und werden in die betrieblichen Strukturen, Arbeitsweisen und Abläufe eingebunden, sammeln erste Berufserfahrung. Hierdurch können die theoretischen Inhalte der Hochschule unmittelbar in der Praxis umgesetzt werden, wodurch die Studenten einen deutlich besseren Bezug zum Erlernten erhalten. Nach dem Studium haben sie nicht nur einen vollwertigen akademischen Hochschulabschluss, sondern können auch umfangreiche Praxis- und Berufserfahrung vorweisen – eine Qualifikation, die dem heutigen Anforderungsprofil der Arbeitgeber in vollem Maße entspricht. Der Berufseinstieg, wenn man von einem solchen überhaupt noch reden kann, wird wesentlich einfacher. Die Einarbeitungszeit fällt bei einem dualen Hochschulabsolventen völlig weg.
Prof. Zinser von der HAW Landshut attestiert den dual Studierenden hervorragende Karrierechancen:
„Die weit überwiegende Mehrheit der Absolventen eines dualen Studiums wird im Anschluss vom Unternehmen übernommen. So können die dual Studierenden direkt nach dem Studium in den Beruf einsteigen und ersparen sich die Jobsuche und/oder Traineeprogramme. Zudem erwarten die Arbeitgeber heute, dass Bewerber Praxiserfahrung mitbringen – ein Absolvent eines dualen Studiums erfüllt diese Anforderung optimal.“
Aus Sicht des Arbeitgebers
Ein klarer Vorteil auch für die ausbildende Kanzlei: Der Absolvent bedarf keiner monatelangen Hinführung an die Praxis, sondern kann aufgrund der bereits erworbenen Kenntnisse in der Kanzlei sofort als vollwertige Arbeitskraft „durchstarten“. Und ein weiterer gewichtiger Punkt: Das duale Studium ist besonders für mittlere und größere Kanzleien zur Rekrutierung und Bindung hochqualifizierter Mitarbeiter und künftiger Führungskräfte geeignet. Für kleinere Kanzleien ist es wiederum im Hinblick auf die Kanzleinachfolge durchaus interessant. Das Angebot des dualen Studiums steigert die Attraktivität der Kanzlei für gutqualifizierte Bewerber, solche, die der Berufsstand in Zukunft dringend sucht.
Kanzlei-Inhaber Stefan Zeindl zum dualen Studium:
„Duale Studenten sind schneller auf einem höheren fachlichen Niveau als Standard-BWL-Studenten. Außerdem schätze ich die große Fachkompetenz der Professoren an der Hochschule Landshut. Klar ist aber auch: Das Verbundstudium erfordert gutes Zeitmanagement und Disziplin, da die Anforderungen hoch sind.“
Eine Frage des Geldes
Ein zusätzlicher positiver Effekt für die Studenten: Während der vierjährigen Ausbildungs- und Studienzeit bis zum Bachelor erhalten sie eine monatliche Vergütung. Fachfremde Nebenjobs sind überflüssig. Vielmehr arbeitet man in der Kanzlei, was nicht nur die Finanzierung des Studiums sicherstellt, sondern auch wertvolle Erfahrungen für die zukünftige Arbeit im Steuerbereich ermöglicht.
In Bezug auf das duale Studium Steuern wird mit der Steuerberaterkammer vorab ein Ausbildungsvertrag über zwei Jahre abgeschlossen (= bis zur Ablegung der Prüfung zum Steuerfachangestellten), dem sich ein Bildungsvertrag in Teilzeit über zwei Jahre anschließt. Nach Erwerb des Bachelors wird das Arbeitsverhältnis in Vollzeit fortgeführt. Die Ausbildungskanzlei legt im Bildungsvertrag die Vergütungshöhe und den Urlaubsanspruch im Einzelfall fest.
Warum gerade das Landshuter Modell?
Zwei Bildungsabschlüsse in vier Jahren und zugleich eine intensive betriebliche Praxis! Das gelingt in Landshut besonders effizient und studentenfreundlich, da die Ausbildungszeiten an der Berufsschule, an der Hochschule und in der Kanzlei optimal verzahnt sind: Im ersten Jahr werden die Grundlagen zur Ausbildung in Berufsschule und Kanzlei erworben, und im zweiten Jahr erfolgt bereits eine zusätzliche Vorbereitung auf das Studium.
Ramona Ludolfinger, Studentin im 6. Semester an der HAW Landshut
„Der permanente Praxisbezug, die Integration in eine bestehende Arbeitsgemeinschaft einer Kanzlei während des Studiums sowie das Vertiefen der bereits erlernten Basics aus der Ausbildung sind für mich elementare Faktoren, die ein klassisches Studium in der Form nicht bieten kann.“
„Vorteilhaft finde ich die bereits gezielte steuerfachrechtliche Orientierung bei der Auswahl der Schwerpunktfächer und Seminarfächer im dualen Studium Steuern. Dadurch kann man die Zeit des Studiums durch die richtige Wahl an Fächern für die spätere Tätigkeit im Steuerbereich optimal nutzen.“
Dazu haben die Landshuter Hochschule und Berufsschule 2 die Vorlesungen und den Unterricht zeitlich und inhaltlich im Interesse der Studenten aufeinander abgestimmt. Um die Ausbildungsdauer auf zwei Jahre zu verkürzen, wurde eine Förderklasse an der Berufsschule eingerichtet. Dort wird gezielt zusätzlich gefördert, um den Teilnehmern auch die Inhalte des dritten Ausbildungsjahres vorab zu vermitteln. Der Unterricht beinhaltet Rechnungswesen, Steuerlehre und Allgemeine Wirtschaftslehre – berufliche Schlüsselfächer, die für den Steuerbereich eine gute Basis schaffen und ausreichend Übungszeit benötigen. Ausbildung und Förderunterricht sind fundamentale Inhalte für den Berufsalltag, der oft keine Zeit für Nachlesen in Gesetzen lässt.
StDin Tanja Zeis und OStR Josef Bauer von der Staatliche Berufsschule 2 Landshut sind überzeugt:
„Die leistungsstarken und engagierten dual Studierenden bereichern den Unterricht an der Berufsschule. Das theoretische Wissen kann unmittelbar praktisch angewandt werden. Wissen, Vorgänge und Abläufe aus der beruflichen Praxis erweitern damit auch den Erfahrungshorizont der Studenten. Dies kann ein reines Hochschulstudium niemals leisten. Die dual Studierenden haben somit einen deutlichen Vorsprung im Vergleich zu „herkömmlichen“ Studenten“.
Eine zusätzliche Erleichterung bringt die teilweise oder vollständige Anerkennung der an der Berufsschule erbrachten Leistungen in den Grundlagenfächern von der Hochschule. Keine Selbstverständlichkeit, aber eine große Erleichterung für die Studenten, die Prüfungen nicht doppelt ablegen müssen.
Die Kehrseite der Medaille
Die Belastung eines dual Studierenden ist höher als die eines „klassischen“ Studenten. Da im zweiten Ausbildungsjahr bereits das Studium an der Hochschule Landshut aufgenommen wird, ergibt sich über einige Monate lerntechnisch eine Dreifachbelastung mit Berufsschule, Hochschule und Kanzlei. Im zweiten Ausbildungsjahr gilt es, an einem Tag in der Woche die Berufsschule zu besuchen, Vorbereitungen zum Hochschulstudium zu bewältigen und zusätzlich noch die Berufsausbildung wahrzunehmen. „Richtige“ Semesterferien finden im Urlaubsanspruch des Mitarbeiters statt. Ein abgeschlossenes duales Studium beweist damit aber auch, dass der dual Studierende belastbar, zielstrebig und leistungsorientiert ist.
Vom Ausbildungsbetrieb erfordert ein duales Studium eine höhere Flexibilität. Insbesondere im zweiten Ausbildungsjahr steht der dual Studierende über einige Monate hinweg dem Betrieb möglicherweise nicht im gewünschten Maße zur Verfügung. Zudem ist es nicht immer einfach, den Mitarbeiter aufgrund der von Semester zu Semester wechselnden Vorlesungszeiten in betriebliche Abläufe einzubinden. Daher setzt ein duales Studium die Bereitschaft bzw. die Erkenntnis des Arbeitgebers voraus, in überdurchschnittlich engagierte Mitarbeiter zu „investieren“.