Geplante Einführung einer Europäischen Dienstleistungskarte
DStV und BStBK beziehen gemeinsam Stellung
Die Europäische Kommission hat am 10.1.2017 ihr sogenanntes Dienstleistungspaket veröffentlicht, welches unter anderem auch einen Verordnungs- und einen Richtlinienvorschlag zur Einführung einer Europäischen elektronischen Dienstleistungskarte (EU-Dienstleistungskarte) (COM(2017) 823 final und 824 final) beinhält.
Demnach soll eine für den Dienstleister freiwillige EU-Dienstleistungskarte sowohl die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung, als auch die Begründung einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat erleichtern. Eine „koordinierende Behörde“ im Herkunftsstaat soll dabei als „One-Stop Shop“ fungieren. Der Dienstleister beantragt bei dieser Behörde auf Bundesebene die EU-Dienstleistungskarte und liefert dorthin zu erbringende Nachweise. Die Koordination, Prüfung und Erteilung der EU-Dienstleistungskarte erfolgt im Verfahren zwischen den koordinierenden Behörden des Herkunfts- und des Aufnahmestaats.
Hierzu hat der DStV hat am 12.02.2018 eine mit der BStBK gemeinsam verfasste Stellungnahme (Eingabe E 04/18) an den gesamten Binnenmarktausschuss des Europaparlaments (IMCO) sowie an das zuständige Referat des BMWi übermittelt. In der Stellungnahme weisen beide Organisationen nachdrücklich auf die aus unserer Sicht bestehenden berufsrechtlichen Bedenken und die administrativen Probleme hin, welche sich durch die Einführung einer EU-Dienstleistungskarte nach Vorlage des Kommissionsentwurfs ergeben würden.
Forderung nach weniger Bürokratie
Die Legislativdossiers der EU-Kommission enthalten in vielen Punkten Verfahrensvorgaben, die nicht praxistauglich sind, teilweise sogar den verlässlichen Rechtsverkehr in Frage stellen und somit zu einer weiteren Fragmentierung des Binnenmarktes für Dienstleistungen führen sowie die bestehenden Qualitätsstandards und den Verbraucherschutz gefährden. Somit würde die Einführung der EU-Dienstleistungskarte nach jetzigem Stand zu mehr Bürokratie führen und berufsreglementierende Vorgaben aufweichen.
Kein Herkunftsland-Prinzip durch die Hintertür
Weiterhin besteht die Gefahr, dass die Regelungen zum Anerkennungsverfahren ein von den Mitgliedstaaten nicht gewolltes Herkunftsland-Prinzip durch die Hintertür einführen. Dies ergibt sich aus der im Richtlinienentwurf vorgeschlagenen finalen Prüffrist und dem fiktiven Widerspruchsrecht zur Ausstellung einer EU-Dienstleistungskarte durch die Koordinierungsbehörde des Aufnahmemitgliedstaates. Dabei kann die sog. „Genehmigungsfiktion“ (automatische Anerkennung) bei Ausbleiben einer Reaktion des Aufnahmemitgliedstaats, zusammen mit den sehr kurzen Bearbeitungsfristen (2 Wochen) im Einzelfall dazu führen, dass allein aufgrund des Zeitablaufs (z. B. bei bloßem Versehen) eine Nicht-Beachtung nationaler berufsrechtlicher Anforderungen die Folge ist. Dies wird konsequenterweise von DStV und BStBK abgelehnt.
Schutz rechtsstaatlicher Strukturen
Die Spitzenorganisationen fordern in der Gemeinsamen Stellungnahme, dass bei der Prüfung von Dokumenten zur Sicherung des verlässlichen Rechtsverkehrs die Maßstäbe des Dienstleistungsstaats angewendet werden müssen. Auch bei verwaltungsrechtlichen Verfahren, wie beispielsweise Rechtsmitteln gegen die Ablehnung der Erteilung einer EU-Dienstleistungskarte, müssen die Verfahrensvorschriften des Aufnahmemitgliedstaates angewendet werden.
Schutz von Vorbehaltsaufgaben
Die EU-Dienstleistungskarte soll u. a. auch bei national den rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen vorbehaltenen Aufgaben ausstellbar sein. DStV und BStBK haben daher darauf hingewiesen, dass ein unkontrolliertes Ausstellen von Dienstleistungskarten und somit der Erlaubnis, eine Vorbehaltsaufgabe im Aufnahmemitgliedstaat auszuführen, erheblich die Integrität der Freien Berufe sowie die entwickelten Qualitätsstandards zum Schutz von Verbrauchern und Dienstleistungsempfängern und die effektive Wahrung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege gefährdet.
Bestimmung der Koordinierungsbehörde und Aufsichtspflichten
Aus verfahrenstechnischer Sicht hat der DStV darauf hingewiesen, dass besonders in großen, föderal aufgestellten Mitgliedstaaten, wie der Bundesrepublik ein Kammer-System für die Organisation und ordnungsgemäße Ausübung der Freien Berufe sorgt.
Die Schaffung einer einzelnen Koordinierungsbehörde zum Zweck der EU- Dienstleistungskarte schafft im starken Maße Bürokratie. Es ist unklar, wie die Arbeit der Koordinierungsbehörde (Bearbeitung des Antrags) mit den jeweiligen Berufsorganisationen (Prüfung der Anforderungen nach der jeweiligen Berufsordnung) in der Praxis koordiniert und gewährleistet werden soll. Hier haben DStV und BStBK gefordert, dass bereits im Richtlinientext klare Verfahrensregelungen aufgenommen werden.
Unklar ist auch noch die Frage der beruflichen Aufsichtspflicht und ob Haftungsansprüche gegenüber einem Dienstleistungserbringer geltend gemacht werden können.
Keine unbefristet gültige EU-Dienstleistungskarte
Der Richtlinienentwurf sieht vor, dass eine einmal ausgestellte EU-Dienstleistungskarte unbegrenzte Gültigkeit hat. Eine zeitlich unbegrenzte Gültigkeit der EU-Dienstleistungskarte birgt jedoch die Gefahr eines Missbrauchs und fördert diesen sogar. Durch eine regelmäßige Überprüfung ist sicherzustellen, dass der Karteninhaber die Voraussetzungen für die Erteilung der Karte noch immer erfüllt und die auf der Karte gespeicherten Informationen noch zutreffend bzw. aktuell sind.