Gilt als Personifikation der Aufbruchstimmung in den 1950ern: Ludwig Erhard.
1950 bis 1960: Der Weg zum Steuerberatungsgesetz
Teil 2 unserer Serie zur LSWB-Verbandsgeschichte
Die 1950er Jahre waren nicht nur für die Bundesrepublik eine turbulente Aufbruchszeit, sondern auch für den Vorläufer des LSWB. Direkt am Anfang des Jahrzehnts erlebte der „Verein der Steuerberater und Steuerhelfer in Bayern“ einen ersten größeren Rückschlag: Auf Beschluss der Generalversammlung hatte sich der Verein 1950 in „Kammer der Steuerberater und Helfer in Steuersachen in Bayern e. V. umbenannt. Die Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht München erfolgte am 30. Januar 1950. Das bayerische Wirtschaftsministerium sah darin jedoch einen Verstoß gegen die Firmenwahrheit. Der Registerrichter schloss sich der Meinung des Ministeriums an und löschte die Eintragung wieder.
Die Episode zeigt, welche Bedeutung die Schaffung einer Kammer seiner Zeit für den Berufsstand hatte. Folglich stand die Verabschiedung eines Steuerberatergesetzes in den folgenden Jahren für die Berufsverbände im Mittelpunkt ihrer Arbeit.
Interne Streitigkeiten führen zur Spaltung
Größeren Schaden als die missglückte Umbenennung richtete ein interner Streit an. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand Walter Ederer, der Leiter der Geschäftsstelle Nürnberg. Immer wieder kam es zwischen ihm und der Hauptgeschäftsstelle München zu Meinungsverschiedenheiten. Einige davon waren sachlicher Art. So hatte man zum Beispiel unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Qualität der vereinsinternen Kassenführung. Hinzu kamen aber auch persönliche Animositäten der Ehrenamtsträger. Bisweilen wurde nur noch über Anwälte kommuniziert. Der Streit eskalierte schließlich so weit, dass sich die beiden Parteien 1950 vor Gericht gegenüber standen.
Obwohl das Gerichtsverfahren durch einen Vergleich beigelegt wurde, war der entstandene Graben dauerhaft. Der Verein schloss Ederer wegen „berufsschädigenden Verhaltens“ aus. Dieser gründete daraufhin am 26. August 1950 den „Verband der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe in Bayern e. V.“ Das Einzugsgebiet des neuen Verbands lag hauptsächlich in Nordbayern und entsprach dem Oberfinanzbezirk Nürnberg. Somit gab es den gesamtbayerischen, aber in Südbayern konzentrierten Verein und im Norden den Verband. Mit Ederer verließen etwa 200 weitere Mitglieder den Verein, die ihre „nordbayerischen“ Belange im neuen Verband besser vertreten sahen.
Trotz der beiden großen Rückschläge konnte der „Verein der Steuerberater und Helfer in Steuersachen in Bayern“ die 1950er Jahre erfolgreich meistern. Herausforderungen gab es genug. Denn auch ohne offiziell eine Berufskammer zu sein, erfüllte der Verein für ein weiteres Jahrzehnt deren Aufgaben. Neben der organisatorischen Arbeit hielten die 50er Jahre eine Fülle von programmatischen Herausforderungen bereit. Die fachliche Beratung der Mitglieder gewann an Bedeutung. Das lag vor allem am Eifer des Gesetzgebers. Allein im Zeitraum von 1951 bis 1958 wurden 107 Gesetze und Rechtsverordnungen sowie 72 Verwaltungsanordnungen steuerlichen Inhalts verabschiedet.
Eine andere Aufgabe, die ab 1951 für den Verein immer wichtiger wurde, war die Ausbildung der Fachgehilfen in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen – also die Vorläufer der heutigen Steuerfachangestellten. Anfang der 50er Jahre gab es nur in München Berufsschulklassen für Lehrlinge der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe.
Zunächst übernahmen Vereinsmitglieder unentgeltliche Zusatzkurse, in denen sie speziell steuerberatende Themen unterrichteten. Ab 1954 bildete der Verein einen
Lehrlingsausschuss, der mit Schulen in ganz Bayern in Kontakt trat. Daraufhin konnten Sonderfachklassen unter anderem in Nürnberg, Weilheim, Rosenheim, Kempten und Memmingen ins Leben gerufen werden. Zusätzlich bot die Hauptgeschäftsstelle München 1956 erstmals einen Vorbereitungskurs auf die Steuergehilfenprüfung an. Auch bei der Vermittlung von Lehrstellen half der Verein.
Streit um das Steuerberatungsgesetz
Das zentrale Thema der 1950er Jahre war jedoch die Schaffung eines bundesweiten Steuerberatungsgesetzes. Ein volles Jahrzehnt erscheint heute lange für die Verabschiedung eines Berufsgesetzes, doch der Weg dorthin war verworren und die Mitreisenden über die Marschrichtung uneins.
Dabei hatte alles vielversprechend begonnen. Am 18. August 1949 traf sich unter Federführung des Vereins die bizonale Arbeitsgemeinschaft der Steuerhelfer und Steuerberater in München, um die Gründung einer Gesamtvertretung für die amerikanische, englische und französische Besatzungszone vorzubereiten. Die wenigen Monate bis zur tatsächlichen Gründungstagung in Wiesbaden (19. bis 21. Dezember) reichten jedoch aus, um einen Keil zwischen Steuerberater und Helfer zu treiben. So entstanden auf ein und derselben Tagung zwei konkurrierende Berufsvertretungen: Die „Bundeshauptstelle der Steuerberater und Helfer in Steuersachen“ (später „Bundeszentrale“), der der Verein angehörte, und der „Bundeshauptverband der Steuerberater“, der nur Steuerberater vertrat.
Aus den widerstreitenden Eingaben der beiden Berufsvertretungen fertigte das Bundesfinanzministerium im Herbst 1951 einen ersten Referentenentwurf des Steuerberatungsgesetzes. Zu den weiteren Konsultationen wurde eine erstaunliche Anzahl an Interessengruppen hinzugezogen: Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren, der Deutsche Industrieund Handelstag, die Vereinigung der Handwerkskammern, der Deutsche Bauernverband sowie die Gewerkschaften. Die Stimmung war dabei so aufgeladen, dass die Politik im Laufe des Jahres 1952 das Interesse verlor. Jede Entscheidung hätte einen erheblichen Teil der Betroffenen verärgert. Das Finanzministerium vertrat nun die Auffassung, dass sich die Berufsgruppen erst einmal untereinander einigen sollten. Eine Verständigung rückte allerdings in weite Ferne, als sich am 30. August 1952 ein dritter Verband gründete. Diesmal schlossen sich Vereine, die ausschließlich die Interessen der Steuerhelfer vertraten, zusammen und gründeten den „Zentralverband der Helfer in Steuersachen im Bundesgebiet und West-Berlin“. Diesem trat auch der nordbayerische „Ederer-Verband“ bei.
Unter solchen Umständen verwundert es nicht, dass der Entwurf des Steuerberatergesetzes erst 1954 seinen Weg in den Bundestag fand. Doch auf Bundesebene verhärteten sich die Fronten zwischen den Interessengruppen weiter. Gegen Ende der Legislaturperiode 1957 schwand auch das Interesse der Abgeordneten, vor der Bundestagswahl noch ein heißes Eisen wie das Steuerberatungsgesetz anzufassen.
Nach der Wahl des dritten Bundestags setzte sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass eine Verständigung untereinander die Voraussetzung für einen geordneten Gesetzgebungsprozess wäre. 1960 einigten sich daher alle beteiligten Verbände darauf, keine Eingaben mehr an den Bundestag zu machen, um die Arbeit der Parlamentarier nicht mehr zu stören. Beredtes Schweigen, das unzweifelhaft vom bevorstehenden Steuerberatungsgesetz kündete.
Und auch im südbayerischen Verein deuteten die Zeichen auf Wandel hin: Am 20. Mai 1960 bestimmte der Vorstand den Steuerberater Dr. Ludwig Furtner zum ersten Vorsitzenden. Wie glücklich diese Wahl war, zeigt schon die Tatsache, dass Furtner dieses Amt – später unter dem Titel „Präsident“ – ununterbrochen bis 1999 ausübte.
Bundesverbände in den 50er Jahren
„Bundeshauptverband“
Am 21. Dezember 1949 in Wiesbaden gegründet, trat der „Bundeshauptverband der Steuerberater e. V.“ dafür ein, weiterhin zwischen Steuerberater und Helfer in Steuersachen zu unterscheiden. Der Verein existiert unter dem Namen „Bundesverband der Steuerberater“ bis heute.
"Bundeszentrale“
Am 21. Dezember 1949 als „Bundeshauptstelle der Steuerberater und Helfer in Steuersachen e. V.“ in Wiesbaden gegründet und 1950 in „Bundeszentrale der Verbände der Steuerberater und Helfer in Steuersachen e. V.“ umbenannt. Die Bundeszentrale trat dafür ein, Berater und Helfer zu einem steuerberatenden Einheitsberuf zusammenzuführen. Am 22. April 1975 fusionierte die Bundeszentrale zum „Deutschen Steuerberaterverband e. V.“ (DStV).
"Zentralverband“
Der „Zentralverband der Helfer in Steuersachen im Bundesgebiet und West-Berlin“ wurde am 30. August 1952 in Hamburg gegründet. Er sah sich als Dachverband für Berufsverbände, die die Interessen der Helfer in Steuersachen vertraten. Sein Ziel war die Schaffung eines einheitlichen Berufsstands. Er fusionierte 1975 zum DStV.