Jubiläumsfeierlichkeiten in München: Dr. Ludwig Furtner eröffnet den Festakt zum 20-jährigen Bestehen.
19601970: Auf dem Weg zum Einheitsberuf
Teil 3 unserer Reihe über die LSWB-Verbandsgeschichte widmet sich dem Wandel der Steuerberaterorganisation nach der Entstehung der Steuerberaterkammern.
Am 1. November 1961 trat knapp neun Jahre nach dem ersten Kabinettsentwurf das „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten“ (Steuerberatungsgesetz) in Kraft. Euphorische Reaktionen blieben jedoch aus. Alle Beteiligten hatten sich weit von ihren ursprünglichen Forderungen entfernen müssen, um einen Kompromiss zu erreichen. Am zufriedensten waren die Helfer in Steuersachen, die nun Steuerbevollmächtigte hießen. Für sie brachte das Gesetz nicht nur eine Anhebung ihrer Rechtsstellung, sondern es ebnete auch die Unterschiede zu den Steuerberatern hinsichtlich der Rechte und Pflichten ein.
Das Steuerberatungsgesetz brachte zudem eine Reihe dringend notwendiger Reformen, darunter die klare Trennung der steuerberatenden Berufe von der Finanzverwaltung. Zudem wurde Steuerbevollmächtigten und Steuerberatern die berufliche Selbstverwaltung in Form von getrennten öffentlich-rechtlichen Kammern zugesprochen.
Die Gründung der Steuerberaterkammern
Nach Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes blieben nur 60 Tage Zeit, die Kammern der beiden Berufsgruppen zu bilden. Die organisatorische Vorbereitung und Durchführung der ersten Mitgliederversammlung mit Kammerwahl lag bei den Oberfinanzdirektionen.
Die Berufsverbände hatten die Aufgabe, Ideen für den Aufbau der Kammern zu entwickeln. Sie mussten sich auf eine zweckmäßige Form einigen und geeignete Kandidaten fürdie Wahl der Vorstandsposten finden. Trotz der gebotenen Eile und fehlender Durchführungsvorschriften gelangen die Kammerwahlen weitgehend reibungslos.
Aus den Reihen des südbayerischen Vereins wurde Josef Hirschberger am 12. Dezember 1961 zum Präsidenten der Steuerbevollmächtigten-Kammer München gewählt. Am 27. November 1961 war sein Vereinskollege Gerhard Nopitsch bereits zum Vizepräsidenten der Steuerbevollmächtigten- Kammer Nürnberg gewählt worden. Das Präsidentenamt dort übernahm Walter Ederer vom „Verband der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe in Bayern“.
Nach erfolgreicher Bildung der Berufskammern standen der Verein und sein Nürnberger Pendant an einem Wendepunkt. Es stellte sich die Frage, ob freiwillige Berufsverbände neben den Berufsvertretungen mit Pflichtmitgliedschaft überhaupt noch eine Zukunft hätten.
In einigen Teilen der Bundesrepublik wurden die freiwilligen Verbände bereits aufgelöst. Die Entscheidung der bayerischen Steuerberater fiel eindeutig aus: Sie votierten für eine Fortsetzung der Vereins- beziehungsweise Verbandsarbeit.In Südbayern wurde zudem eine Umbenennung des Vereins in „Verein der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten in Bayern e. V.“ beschlossen.
Das Abstimmungsergebnis zeigt unmissverständlich, dass die Mitglieder in Bayern mit den bisherigen Leistungen der Vereine zufrieden waren. Der Kampf um das Berufsrecht und die Aufgaben, die die Steuerberatervereinigungen in Abwesenheit von Kammer übernommen hatte, waren eben nur ein Teil des Ganzen gewesen. Die Mitwirkung bei den Zulassungen und Prüfungen, die Bearbeitung der Lehrstellenanträge und die Verfolgung von Verstößen gegen das Berufsrecht würden zukünftig zwar entfallen. Die anderen Stärken des Vereins könnten dagegen noch weiter ausgebaut werden.
Fortbildung wird zum Schwerpunkt
Im Laufe der Sechziger Jahre bildete sich eine Arbeitsteilung heraus. Die Kammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts übernahmen die Berufsaufsicht, kümmerten sich um das Berufsrecht und vertraten die allgemeinen Belange vor den Behörden.
Die Kollegialverbände bedienten die individuellen Bedürfnisse der Mitglieder. Zwar blieben die Entwicklung berufspolitischer Ideen und die Mitarbeit an der materiellen Steuerrechtsgesetzgebung Teil der Vereinsaufgaben. Zumeindeutigen Schwerpunkt entwickelte sich jedoch die fachliche Betreuungsarbeit.
Die verdeutlicht das Beispiel des südbayerischen Verbands. Dieser baute sein Angebot an Fachvorträgen in den60er Jahren fortlaufend aus. Die Anzahl jährlicher Referate stieg von 33 im Jahr 1960 auf rund 70 Veranstaltungen. Zudem gab es erstmals mehrtägige Seminare. Neben den allgemeinen steuerrechtlichen Vorträgen und anlassbezogenen Seminaren schuf der Verein ganz neue Formen der Fortbildung. Ein absolutes Novum stelltendie 1965 erstmals abgehaltenen „Urteilsdiskussionen mit Bundesrichtern“ dar.
Parallel zum Ausbau des Seminar- und Tagungsprogramms verlief die Verbesserung des schriftlichen Informationsangebots. Unter Federführung des neuen wissenschaftlichen Mitarbeiters Max Henze stieg die Qualität der Verbandsrundschreiben ab 1965 deutlich, und sie wurden zunehmend beliebter. Deshalb entschloss sich der Verein zu einem neuen Layout, das den Inhalt ansehnlicher kommunizieren sollte. 1966 erschienen die Vereinsrundschreiben unter dem Namen „Informationsdienst“ erstmals in neuem Format. Der fachliche Wert dieses Vorläufers des LSWBMagazins war so groß, dass er ab 1967 von allen Verbänden der Bundeszentrale bezogen wurde.
Ein anderer wichtiger Baustein der fachlichen Betreuungsarbeit blieb die Vereinsbibliothek. Der Bestand an Büchern verdoppelte sich in den Sechzigern von 1.500 auf gut 3.000 Bände.
Auf getrennten Wegen zum Einheitsberuf
Anlässlich der Einführung der Mehrwertsteuer arbeiteten die Vereinszweigstelle Nürnberg und der nordbayerische Verband der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe in Bayern enger zusammen. Beide Verbände bildeten 1967 eine Arbeitsgemeinschaft, um gemeinsam Vorbereitungskurse für die Steuerbevollmächtigtenprüfung und Mehrwertsteuer- Seminare anzubieten. Dass die fachliche Zusammenarbeit gut gelang und sich die Fortbildungskurse als großer Erfolg erwiesen, nährte die Hoffnung, die Teilung in zwei bayerische Verbände überwinden zu können.
Deshalb trafen sich die Vorstände des Vereins und des Verbands im Laufe des Jahres 1967 mehrmals, um eine mögliche Fusion auszuloten. Die Versuche trugen insoweit Früchte als sich die Führungen beider Berufsvertretungen auf eine gemeinsame Satzung einigen konnten. Die Mitgliederversammlung des nordbayerischen Verbands lehnte die Satzung allerdings ab – eine Fusion war damit vorerst vom Tisch.
Aus der Sicht der Steuerberaterorganisation kam das Scheitern der Fusion zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Ende der 60er rückte einmal mehr der Kampf um das Berufsrecht in den Vordergrund. Diesmal ging es um die Zusammenführung der beiden steuerberatenden Berufsgruppen zu einem Einheitsberuf. Ein gesamtbayerischer Verband hätte im kommenden Ringen eine stärkere Position gehabt
Der südbayerische Verein hatte sich als eine der wenigen Berufsorganisationen seit Gründung für die Einheit des steuerberatenden Berufs eingesetzt. Als 1968 die Bundeskammer der Steuerbevollmächtigten den Einheitsberuf wieder aktiv auf die politische Agenda setzte, reaktivierte auch der Verein seine Bemühungen.
Und auch auf Bundesebene setzte sich die Zusammenführung der steuerberatenden Berufe fort. Im Januar 1969 fusionierte der „Bundesverband der steuerberatenden Berufe e. V.“, der ursprünglich eine reine Steuerbevollmächtigten- Vertretung gewesen war, mit der gemischten „Bundeszentrale der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten“ zum Vorläufer des DStV.
Die neue „Bundeszentrale der steuerberatenden Berufe“ wurde von zwei gleichberechtigten Präsidenten geleitet: Einer war kein geringerer als Dr. Ludwig Furtner, der 1. Vorsitzende des „Vereins der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten in Bayern“. Mit 6.500 Berufsangehörigen war die neue Bundeszentrale gut gerüstet, die Interessen des Berufsstands in der Diskussion um die Reform des Steuerberatungsgesetzes glaubwürdig zu vertreten.