LSWB-Vizepräsidentin Sabine Dietloff

LSWB-Vizepräsidentin Sabine Dietloff

Bericht aus dem Präsidium

Trendsetter oder Follower: Die digitale Transformation als Chance

Von Sabine Dietloff, Vizepräsidentin des LSWB

Technologiesprünge haben den Menschen seit jeher Veränderungsprozesse auferlegt, die nicht immer einfach zu bewältigen waren. Das Feuer vor vielen tausend Jahren, die Dampfmaschine zu Beginn der industriellen Revolution und das Internet seit mehr als 20 Jahren. Sie alle hatten für den Einzelnen erhebliche „Nebenwirkungen“. Neben dem Fortschritt entwickelte sich parallel auch immer die Angst vor dem Missbrauch dieser neuen Technologien.

Die Digitalisierung, so befürchten manche, entfremdet uns von unseren Mitmenschen und von uns selbst. Aber „wir können auch Wegbereiter des Neuen werden, wenn wir mit der Welt und den Menschen im Gespräch bleiben“, hält der Philosoph und Autor Christoph Quarch dagegen. Wo persönliche Gespräche kurzfristig nicht möglich sind, kann uns die digitale Kommunikation helfen, eine größere Nähe und damit auch ein Stück Heimat zu vermitteln. Als Ergänzung, nicht als Ersatz für persönliche Gespräche.

Hohe Mobilität und persönliche Kommunikation in der neuen Welt

Immer häufiger wird von Mitarbeitern – gerade in gehobenen Positionen – ein hohes Maß an Mobilität eingefordert. Das bedeutet, dass unsere Mandanten häufig für längere Zeit ins Ausland gehen oder sehr viel auf Reisen sind.

Oder nehmen wir die Landflucht in strukturschwachen Gebieten, die junge Menschen wegen der meist besseren Arbeits- und Lebensbedingungen fort von ihrer Heimat in die Städte zieht. Hier wie da fehlt uns plötzlich der gewohnte persönliche Kontakt zu unseren Mandanten.

Selbstverständlich können wir unsere Mandanten trotzdem weiter beraten und ihre steuerlichen Angelegenheiten erledigen. Die Unterlagen kommen per Post oder digital, Fragen werden per Mail gestellt und beantwortet und gelegentlich telefonieren wir miteinander.

Aber: Die Nähe und die persönliche Beziehung zum Mandanten bleiben auf der Strecke. Muss das wirklich so sein?

Die Sparkasse Oberpfalz Nord hat durch ein m. E. bahnbrechendes und innovatives Kommunikationsformat jetzt das Gegenteil bewiesen: „Die Bankfiliale der Zukunft findet sich in der Oberpfalz“, fand der bekannte Zukunftsforscher Dirk Herrmann kürzlich heraus. Nicht im Silicon Valley oder im Finanzzentrum London, sondern in Weiden steht die erste voll digitalisierte Geschäftsstelle eines Geldinstituts.

In dieser Filiale sitzt der Sachbearbeiter zum vereinbarten Termin in seiner Kabine, hat die zu besprechenden Dateien bereits am Laptop vorbereitet und lächelt bei der Begrüßung in die Kamera.

Der Kunde hat sich zuvor über die Homepage der Sparkasse in das virtuelle Besprechungszimmer eingeloggt und kann seinen Gesprächspartner sehen. Umgekehrt ist dies nicht möglich, der Kunde bleibt völlig unbeobachtet und ist damit keinem Stress (ist hinter mir aufgeräumt, bin ich passend gekleidet etc.) ausgesetzt.

Nach ein paar persönlichen Worten verschwindet der Bankmitarbeiter aus dem Bildschirm und öffnet die Dokumente, die besprochen werden sollen. Dabei kann er in den Vorlagen Skizzen erstellen, markieren, Notizen machen usw. Am Ende des Gesprächs blendet er sich wieder ein, um sich von seinem Kunden persönlich zu verabschieden.

Die Technik ist auf Seiten der Kunden verblüffend einfach und die Akzeptanz sehr hoch. Die Gespräche werden von beiden Seiten als sehr intensiv und zielführend beschrieben. Und wenn der Kunde das nächste Mal wieder persönlich in seiner Filiale erscheint, sitzt dort genau der Mitarbeiter, mit dem er kürzlich online gesprochen hat.

Kurz bevor wir die Filiale in Weiden nach der Präsentation um 16.00 Uhr verlassen wollten, kam eine junge Mitarbeiterin mit Rucksack über der Schulter an, um ein paar abendliche Besprechungstermine wahrzunehmen. Flexible Arbeitszeiten sind eine mögliche Folge digitaler Kommunikation. Dieses spannende Modell wird nun gemeinsam mit dem LSWB für unsere Steuerkanzleien in einem Pilotprojekt angepasst – wir halten Sie auf dem Laufenden.

Wir alle können von der digitalen Transformation unserer Geschäftsprozesse, unserer Zusammenarbeit und ja, auch unseres Zusammenlebens profitieren. Wir müssen dazu aber über den Tellerrand schauen, mögliche Entwicklungen entdecken, sie aufgreifen, auf unsere Bedürfnisse anpassen und weiterentwickeln.

Ein zweites Beispiel zeigt, dass unser gesamter Berufsstand auf Innovationskraft, smarte Kreativität und konsequentes Umsetzen angewiesen ist. Die Digitalisierung gibt uns die Technologie dazu an die Hand. Wir müssen sie nur auch nutzen.

Weltweite Datenmengen wachsen bis 2025 um Faktor 8 auf 175 Zettabytes

Das weltweite Datenaufkommen soll laut einer Studie von Seagate und IDC, veröffentlicht im November 2018, bis zum Jahr 2025 auf ganze 175 Zettabytes (das ist eine 175 mit 21 Nullen) anwachsen. Kann sich das noch jemand vorstellen? Ich nicht. Deshalb habe ich zur Einordung bei Michael Kroker nachgeschlagen: Speichert man diese Datenmenge auf herkömmliche DVDs, würde der Stapel mit Datenträgern 23 Mal die Entfernung zwischen Erde und Mond übertreffen.

Wie können wir diese Menge an unterschiedlichen und vor allem unstrukturierten Daten effizient lesen, normalisieren bzw. indizieren, um textbasiere Ähnlichkeitserkennung über Quellsystemgrenzen hinweg zu vereinheitlichen?

Daten werden heute schneller produziert als wir sie ordnen, katalogisieren, beschriften und ablegen können. Ist das Einordnen und Kategorisieren nicht oft sehr schwer, das Normalisieren gar nicht möglich? Werden die Kanäle, über die uns Daten erreichen, nicht immer vielschichtiger? E-Mail, Messenger-Dienste wie WhatsApp, von Kollaborationsplattformen ganz zu schweigen …

Vereinfacht und für unsere Zwecke lautet die Frage also: Ist es möglich, Daten aus unterschiedlichsten Datenquellen in der Kanzlei in einen Zusammenhang zu bringen und zu analysieren?

Sie möchten – zum Beispiel – gleichzeitig eine Suche in Ihrer DMS, in PDF-, MS-Office-Dateien (Mails, Kalendereinträge), Wissens- und öffentlichen Datenbanken (zum Beispiel Bundesanzeiger, juris etc.) oder SAP-Systemen starten?

Es ist möglich! Aber nicht mehr durch Ordner, Normalisieren, Kategorisieren. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Geschwindigkeit der Daten- und Formatzunahme – heute Facebook, morgen WhatsApp, dann SAP R/3 oder doch HANA – und die Geschwindigkeit der Systemwechsel, -Releases und Schnittstellen immer höher wird. Alt und Neusysteme laufen bei vielen heute schon parallel.

Neuartige Big Data-Verfahren und Prinzipien erlauben es, aus unterschiedlichen Datenquellen und unterschiedlichen Formaten über entsprechende Algorithmen, maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz relevante Informationen zu finden und Zusammenhänge von Informationen darzustellen. Kurzum: das gesamte Wissen zu einem Vorgang, Mandanten, Sachverhalt strukturiert und geordnet blitzschnell auf dem Rechner!

Utopie? Ganz und gar nicht! In Zusammenarbeit mit den Steuerberaterverbänden Bayern und Baden-Württemberg wird derzeit ein Programm zum Auffinden von Informationen in verschiedenen Systemen („information retrieval“) entwickelt, das eine signifikante Vereinfachung des Durchsuchens und Analysierens großer Mengen beliebig strukturierter oder unstrukturierter Daten verspricht.

Wenn man bedenkt, wie viel Zeit aktuell eine Suche verschlingt, die wir in jedem System einzeln starten und dabei noch auf eine korrekte Verschlagwortung angewiesen sind, dann zeigt sich der hohe mögliche Nutzen eines solchen Systems sehr schnell. Auch wenn wir nicht gleich 175 Zettabytes in unserer Kanzlei verarbeiten müssen.

Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Sie ist keine Utopie. Sie ist Realität. Es wird alles digitalisiert, was zu digitalisieren ist. Wir vom LSWB arbeiten deshalb konsequent an der smarten Kanzlei! Wir wollen Trendsetter sein, nicht Follower!