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Bericht aus dem Präsidium
Nachhaltige Unternehmensführung in Zeiten von Greta Thunberg
Kürzlich traf ich einen mittelständischen Unternehmenschef. Er hatte gerade eine junge und hochqualifizierte Bewerberin getroffen, die aber ihren Wohnsitz nicht aufgeben wollte. Sein Angebot, so erzählte er mir immer noch sichtlich geschockt, das könnte man doch mit einer guten Flugverbindung überbrücken, wurde brüsk zurückgewiesen. „Das ist ganz und gar nicht nachhaltig. Das mache ich nicht. Und Sie sollten so etwas auch nicht anbieten“, war ihre Antwort.
Nicht zuletzt der Bundestagswahlkampf und die angelaufenen Koalitionsgespräche haben zwei Megatrends zum Thema, die auch unsere Branche seit geraumer Zeit beschäftigen. Pandemie und Umweltkatastrophen haben ihnen zusätzlich einen ordentlichen „Boost“ verliehen: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Beides Themen, die wir im LSWB bereits aus unterschiedlichen Perspektiven angegangen sind und die uns auch in Zukunft noch sehr beschäftigen werden.
Allen Aussagen der Koalitionäre und aller Think Tanks gemeinsam ist, dass es ein „ immer weiter so“ nicht geben kann. Wir brauchen, so heißt es, grundsätzlich andere Herangehensweisen und neue Antworten. Das gilt für die Digitalisierung gerade auch in unserer Branche, die von den technischen Innovationen und der Geschwindigkeit, wie sie bei uns Raum greifen, nahezu überrollt wird. Und das gilt noch viel mehr für die Herausforderungen der Nachhaltigkeit. Ja, auch für uns Steuerberater!
Nicht nur, weil die Umweltthemen insgesamt keine Zukunftsproblematik mehr darstellen, sondern uns hier und heute vor die größten Probleme stellen. Es geht nicht mehr nur um die Plakate junger Aktivisten vom Schlage einer Greta Thunberg. Es geht jetzt schon um Menschenleben und Sachschäden in Milliardenhöhe. Es geht nicht mehr um theoretische Diskussionen, nicht mehr um Bilder von Überschwemmungsgebieten in fernen Ländern. Sondern es geht hier und heute um Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Jetzt hat es jeder verstanden. Der Klimawandel mit allen seinen Konsequenzen ist angekommen! Wir brauchen deshalb neue Herangehensweisen und neue Antworten auf diese Bedrohung! Wir müssen uns neu erfinden, sonst wird es nicht gehen.
Und was sagen wir unseren Mitarbeitern? Dass wir alle betroffen sind? Dass wir etwas tun müssen? Das wird nicht mehr reichen. Wir müssen ihre zunehmend drängenderen Fragen sehr viel konkreter beantworten: Was tun wir eigentlich für eine nachhaltige Unternehmensführung im weiteren Sinn? Denn nachhaltige Unternehmensführung bedeutet für mich, dass wir nicht nur ökologische Ziele verfolgen, sondern eben auch ökonomische und soziale. Dass wir den ethischen wie moralischen Anforderungen der Gesellschaft und unserer Mitarbeiter entsprechen. Tun wir das?
Natürlich tun wir alles, um die Arbeitsfähigkeit und die Motivation unserer Mitarbeiter nachhaltig zu stärken und auszubauen. Auch das gehört zu einer nachhaltigen Unternehmensführung, ist sozusagen die Basis dafür. Natürlich tun wir alles, um unsere Büros, Kanzleien und Arbeitsplätze umweltfreundlich zu gestalten, um ebenfalls klimaneutral zu werden. Oder zumindest unseren Beitrag dazu zu leisten. Natürlich nutzen wir – wenn möglich – Fahrräder statt Autos, umweltfreundliches Papier und Fair-trade-Kaffee, digitale Meetings statt Flugzeuge und die Äpfel zum Mittagessen sind biologisch und stammen selbstverständlich aus der Region. Aber ist es das, was unsere Mitarbeiter an uns bindet, was uns auf dem Arbeitsmarkt interessant macht?
Lange Zeit legten die Deutschen bei einem Arbeitgeber vor allem Wert auf ein hohes Gehalt und gute Aufstiegschancen. Seit einigen Jahren ist jedoch über alle Generationen hinweg ein Wertewandel zu beobachten. Heute steht das Thema Nachhaltigkeit hoch im Kurs. Drei Viertel der Berufstätigen hierzulande, so die gemeinsame Botschaft der unterschiedlichen Untersuchungen, finden es wichtig, dass Nachhaltigkeit bei Arbeitgebern einen hohen Stellenwert hat. Für vier von zehn Arbeitnehmern ist Nachhaltigkeit ein entscheidendes Kriterium, wenn es um die Bindung an das Unternehmen geht.
Die Bedeutung von Nachhaltigkeit spielt folgerichtig auch bei der Jobsuche eine Rolle: Fast jeder zweite Befragte sagt, dass er im Falle eines Arbeitgeberwechsels gezielt nach Stellen bei nachhaltigen Unternehmen suchen würde. Die Ergebnisse des „Student Survey“ bestätigen den Trend. Für rund jeden vierten Studenten in Deutschland gehört Corporate Social Responsibility (CSR) zu den drei wichtigsten Faktoren, die das Unternehmensimage ausmachen. Insgesamt bewerten die Befragten verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln für Umwelt und Gesellschaft höher als beispielsweise eine inspirierende Führung.
Und was heißt das jetzt für uns?
Wir alle wollen unsere Kanzleien wirtschaftlich gesund und klimaneutral an die nächste Generation übergeben. Und das haben wir uns auch nicht erst seit gestern überlegt, weil das Thema Nachhaltigkeit gerade in aller Munde ist. Aber wir wollen dieses Thema jetzt viel entschiedener vorantreiben. Weil wir davon überzeugt sind, dass es der einzig richtige Weg ist.
Natürlich geht es für uns darum, ökologisch, aber auch ökonomisch und sozial nachhaltig zu sein. Genauso sollten wir deshalb Nachhaltigkeit auf drei Ebenen denken:
- einer ökologischen,
- einer ökonomischen und
- einer sozialen Ebene.
Und dazu müssen wir aber die Menschen, unsere Mitarbeiter, mitnehmen. Das ist neben all dem technischen Fortschritt der Digitalisierung der wichtigste Faktor für das Gelingen einer nachhaltigen Unternehmensführung. Denn klimaneutral und letztendlich auch wirtschaftlich erfolgreich werden wir nicht durch Top-Down-Entscheidungen und Vorgaben durch uns Kanzlei-Inhaber. Auch nicht durch Restriktionen oder Verbote. Klimaneutral und wirtschaftlich erfolgreich werden wir am Ende durch unsere Unternehmens- und Führungskultur, durch die Denkweise in unserer Organisation, durch das richtige Bewusstsein in den Köpfen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
„Leadership“ ist die Voraussetzung, die Brücke, das verbindende Element zwischen ökologischen und ökonomischen, technologischen und sozialen Herausforderungen, denen wir ausgesetzt sind. Die wir erkennen, definieren und denen wir gerecht werden wollen und müssen.
Der Mensch muss im Zentrum unseres unternehmerischen Handelns stehen. Wir wollen ein Best-Place-To-Work sein. Meine Kolleginnen und Kollegen sollen gerne zur Arbeit gehen. Sie sollen mutig sein, offen für Neues. Sie sollen mitgestalten wollen und können. Sie sollen keine Angst vor Veränderung haben, im Gegenteil: Sie sollen richtig Lust darauf haben. Wir fordern und fördern deshalb konsequent die besten und innovativsten Ideen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wir wollen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Unternehmerinnen und Unternehmern in unseren Kanzleien machen. Dazu brauchen wir aber eine gute und nachhaltige Unternehmensführung. Deswegen sollte unser aller Credo sein: „Jeder hat ein Recht auf gute Führung.“ Und wir müssen die richtigen Talente finden, egal welchen Alters, sie entwickeln und lange an uns binden.
Wie schaffen wir das am besten?
- Indem wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich fördern.
- Wir schaffen es, indem wir Führungsformen etablieren, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Freiraum lassen, um Verantwortung zu übernehmen.
- Indem die Führungskraft eher der Spielertrainer ist, der mit auf dem Feld steht und nicht vom Rand alles vorgibt und reinschreit.
- Indem wir unsere Talente durch ein gutes Coaching ganz eng auf ihrer Reise begleiten.
- Indem wir unseren Führungskräften einen klaren Führungskompass an die Hand geben, der die Leitplanken für gute Führung und Feedbackkultur klar absteckt.
Und natürlich auch, indem wir Erfolgsgeschichten erzählen können, auf die wir sehr stolz sind. Ich weiß, dass wir gerade in unserem Verband eine große Zahl von solchen Erfolgsgeschichten haben. Sie sollten alle erzählt werden – damit wir voneinander lernen können.