Foto: kras99/adobe stock

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Bericht aus dem Präsidium

Evolution des Steuerberaters

Von Dr. Jutta Fischer-Neuner, Vizepräsidentin des LSWB

Der „klassische“ Steuerberater in seiner ursprünglichen Ausprägung, welcher sich ausschließlich auf die sogenannten Vorbehaltsaufgaben fokussiert hat, wird zunehmend verdrängt bzw. ersetzt durch den „modernen“ Steuerberater, welcher breitflächig aufgestellt sein muss, um die an ihn herangetragenen Herausforderungen, sei es über den Mandanten, behördenseitig oder durch andere Dritte, bewerkstelligen zu können. Man könnte hier fast von einer „Evolution des Steuerberaters“ sprechen. In ihrer Vielfältigkeit hat diese Entwicklung auch unmittelbaren sowie mittelbaren Einfluss auf das Berufsrecht und dessen zukünftiges Verständnis sowie Ausrichtung.

Wegen der gebotenen Kürze greife ich im Folgenden nur einige der zu erwartenden berufsrechtlichen Entwicklungen auf.

Vertragsverletzungsverfahren

In vorgerichtlichen Verhandlungen über das anhängige Vertragsverletzungsverfahren gegen die Vorbehaltsaufgaben deutscher Steuerberater zwischen der EU-Kommission und dem BMF geht es insbesondere um die Umsatzsteuervoranmeldung. Die für die Dauer der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vereinbarte „Waffenruhe“ (Elster, Das EU-Parlament bezieht Stellung zum Berufsrecht, www.dstv.de, Stand 21.01.2021) ist zu Jahresbeginn abgelaufen. Die EU-Kommission will offenbar das Verfahren der Umsatzsteuervoranmeldung aus den Vorbehaltsaufgaben herauslösen. Die BStBK und der DStV wappnen sich für einen Streit vor dem EuGH (Elster a. a. O.). Zudem haben die German Tax Advisers, eine Kooperation des DStV mit der BStBK in Brüssel, die Position noch einmal gegenüber der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dargelegt.

Die Steuerberater Deutschlands seien der einzige Beruf, der die nötige Qualifikation für die Erstellung der Umsatzsteuererklärung aufweise und zugleich seine Dienstleistung eigenverantwortlich erbringe, heißt es u. a. in der Stellungnahme. Fehlerhaft erstellte Umsatzsteuervoranmeldungen würden die Gefahr erheblicher finanzieller und strafrechtlicher Folgen für die Steuerpflichtigen, für unternehmerische Fehlplanungen und für das staatliche Steueraufkommen bergen.

DStV und BStBK warnen zudem vor den wirtschaftlichen Folgen einer Deregulierung der Berufsrechte in den Mitgliedstaaten. In der durch die Corona-Pandemie verursachten Wirtschaftskrise und angesichts des anstehenden Wiederaufbaues sei die EU wie nie zuvor auf staatliche Einnahmen angewiesen. Ein Abbau des umsatzsteuerlichen Bestandsschutzes durch eine Deregulierung der Vorbehaltsaufgaben der Steuerberater im Bereich der Umsatzsteuervoranmeldung würde deshalb ein kaum kalkulierbares Risiko der Schwächung dieser Finanzhaushalte bedeuten. (vgl. Beruf Aktuell NWB 2021, S.584)

Im Hinblick auf die Einstellung der EU-Kommission, die das Berufsbild des deutschen Steuerberaters immer wieder in Frage stellt (dazu aktuelles Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2018/2171), sollte in Brüssel die Einsicht wachsen.

Umsetzung der Geldwäschepflichten

Ein, zumindest mittelbarer, wichtiger Bestandteil des Berufsrechts sind die einzuhaltenden Pflichten nach dem GwG, welche spätestens seit dem Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen vom 23.06.2017 (BGBl. I, 2017, S. 1822 ff.) u. a. durch die Einführung der sogenannten „Risikoanalyse“ weiter an Bedeutung gewonnen haben. Durch die weiteren Verpflichtungen wie die zur Identifizierung, Klärung möglicher wirtschaftlich Berechtigter oder der sogenannten „PEP-Kriterien“ ist die diesbezügliche Umsetzung aus dem Kanzleialltag nicht mehr wegzudenken. Ob der damit verbundene massive Verwaltungsmehraufwand in den Kanzleien für die beabsichtigte Eindämmung der Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungskriminalität gerechtfertigt und zielführend oder zumindest ein Beitrag damit geleistet werden kann, sei dahingestellt und kann wohl, wenn überhaupt, nur in den nächsten Jahren rückwirkend beurteilt werden.

In diesem Bereich können sich Steuerberater keine Nachlässigkeiten mehr erlauben. Zum einen, da sich in diesem Gebiet ständig gesetzliche Änderungen ergeben und weitere folgen werden. Hier sei auf die bereits erfolgte Änderung des GwG zum 01.01.2021 (Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, BGBl. I, 2020, 2602) sowie die zum 01.10.2020 in Kraft getretene GwGMeldV-Immobilien (BGBl. I S. 1965) verwiesen, welche auch für Steuerberater Neuerungen mit sich gebracht haben. Mit Besorgnis ist hierbei die teilweise erfolgte Aufweichung der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht zugunsten vermeintlich höherwertiger Interessen zu sehen (zur Verschwiegenheitspflicht Krämmer, DStR 2020, S. 2890).

Zum anderen, da die Steuerberaterkammern seit 01.01.2010 neben der Aufsichtsfunktion, quasi janusköpfig, auch die Zuständigkeit als Verwaltungsbehörde für Ordnungswidrigkeiten nach § 56 GwG übernommen haben, § 76 Abs. 8 StBerG. Festgestellte Pflichtverstöße werden von den Steuerberaterkammern entsprechend geahndet. So hat exemplarisch die Steuerberaterkammer Nürnberg im Jahr 2020 insgesamt zwölf Verwarnungen nach dem OWiG wegen festgestellter Pflichtverstöße ausgesprochen (Veröffentlichung unter www.stbk-nuernberg.de/images/Kammer/Aufgaben/GwG_Massnahmen.pdf). Andere Steuerberaterkammern, wie die Steuerberaterkammer Nordbaden, haben bereits Bußgeldbescheide erlassen (Veröffentlichung unter www.stbk-nordbaden.de/die-kammer/geldwaescheaufsicht/
bekanntmachung-von-massnahmen-und-bussgeldentscheidungen.html).

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts

Nicht unerwähnt bleiben soll zum Ende die anstehende Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie Änderungen weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe (BR-Drs 55/21). Zwar hat der Referentenentwurf primär die Umsetzung der zum anwaltlichen Berufsrecht der Berufsausübungsgesellschaften ergangenen Rechtsprechung des BVerfG (Beschlüsse v. 14.01.2014 – 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12 sowie vom 12.01.2016 – 1 BvL 6/13; 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12) zum Hintergrund, damit verbunden sind aber auch weitereichende Änderungen im Steuerberatungsgesetz. Der Name des Gesetzesentwurfs lässt dies gar nicht vermuten, sodass eigentlich eher ein eigener Gesetzesentwurf für das StBerG mit der Bezeichnung „9. Steuerberatungsänderungsgesetz“ den massiven Veränderungen gerecht werden würde.