Foto: Nuthawut/adobe stock

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Bericht aus dem Präsidium

Ausbildung? Nein Danke! - Oder doch?

Von Sabine Oettinger, Vizepräsidentin des LSWB

Die größte Herausforderung für uns in den Kanzleien liegt aktuell nicht in der Digitalisierung, nicht in der wachsenden Komplexität unserer Aufgaben und auch nicht darin, gute Mandate zu akquirieren.

Nein: Uns fehlt schlicht das Personal. Wir können viel über Findung und Bindung guter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schreiben! Das haben wir auch immer wieder getan. Aber wenn die Ressource so knapp ist wie aktuell, müssen wir ohnehin zumindest all das bieten, was der Bewerbermarkt fordert. Und noch mehr. Aber das löst nicht das Problem.

Der einzige Ausweg aus dieser Situation ist eine gemeinsame Offensive, um die Zahl deutlich zu steigern an:

  • Berufsausbildungsverhältnissen
  • Dualen Studiengängen
  • Quereinsteigern und
  • Praktika

Und das kann nicht an dem kleinen Teil jener Steuerkanzleien hängenbleiben, die seit Jahren für Nachwuchs in unserer Branche sorgen.

Diesen Top-Kanzleien spreche ich meinen großen Dank aus! Denn sie investieren viel Zeit und vor allem viel Geld in unseren Berufsnachwuchs. Rechnen Sie nur mal die Lohnkosten für einen normalen Auszubildenden. Wir liegen hier nach der neuesten Kammerempfehlung der Steuerberaterkammer München bei rund 1.400 Euro monatlich, zuzüglich Arbeitgeberanteil. Dazu kommen – sehr konservativ gerechnet – rund 20 Stunden Unterstützung durch erfahrene Fachkräfte pro Monat, die wir mit mindestens 50 Euro Selbstkosten pro Stunde kalkulieren, also insgesamt noch einmal 1.000 Euro. Weiter fallen Lizenzgebühren, Kosten für den Arbeitsplatz und Fortbildungskosten an. Am Ende landen wir bei monatlichen Kosten von rund 3.000 Euro für ein Ausbildungsverhältnis. Bei dual Studierenden liegen wir noch etwas höher.

Kein Wunder also, wenn der weit überwiegende Teil des Berufsstandes nicht ausbildet, oder? Das aber ist trotz dieser hohen Investitionen zu kurz gedacht.

Und das gilt auch für die anderen „guten“ Gründe, die immer wieder genannt werden, warum man keine Ausbildung anbietet:

  1. Wir finden keine Auszubildenden/dual Studierende/Quereinsteiger.
  2. Die Bewerber sind nicht gut genug.
  3. Wir haben dafür keine Zeit.

Da ist es doch leichter, einen Headhunter einzusetzen! Die Kosten, die wir uns sparen, weil wir nicht ausbilden, können wir problemlos dafür einsetzen, höhere Gehälter zu zahlen.

Meine Gegenargumente zu 1): Richtig, es ist nicht leicht, Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger zu finden. Was aber macht der kleine Teil der ausbildenden Kanzleien anders? Auch hier sprechen wir wieder von viel Aufwand, Zeit und Geld. Denn die Kolleginnen und Kollegen bieten Schülerpraktika an, gehen auf Berufsmessen, halten Vorträge an Schulen, pflegen Social-Media-Profile, laden Schulklassen in die Kanzlei ein und leisten im persönlichen Umfeld permanent Überzeugungsarbeit. Sie sind begeistert von ihrem Beruf und tragen genau das nach außen.

Zu 2): Vielleicht ist manch ein Lebenslauf nicht perfekt, die Noten waren nicht so gut oder es gab Pausen z. B. wegen Kindern. Oder ein Quereinsteiger kommt aus einer völlig fremden Branche. Entscheidend ist doch allein der Wille, es zu schaffen! Wir müssen hier mehr Chancen geben, denn häufig sind gerade die Menschen mit den nicht stromlinienförmigen Lebensläufen die wertvollsten Mitarbeitenden.

Zu 3): Niemand von uns hat Zeit! Aber das ist wie die Geschichte vom Holzfäller, der keine Zeit hat, seine Säge zu schärfen. Das ist einfach die falsche Logik – und darüber hinaus schädlich für den ganzen Berufsstand als Gemeinschaft.

Stellen Sie sich doch mal vor, jede Steuerkanzlei würde nächstes Jahr nur ein Ausbildungsverhältnis schaffen. Dann hätten wir zwei bis drei Jahre später rund 40.000 mehr Mitarbeitende in den Kanzleien. Und sollte dies sogar jedes Jahr gelingen, wären wir in absolut überschaubarer Zeit alle unsere Personalprobleme los. Auch wenn mir natürlich klar ist, dass nicht jede Ausbildung von Erfolg gekrönt sein wird. Und dass wir nicht alle jedes Jahr geeignete Kandidaten finden werden.

Trotzdem, das muss unser Anspruch sein. Dafür aber brauchen die Ausbildungskanzleien zukünftig auch mehr Unterstützung:

  • Softwarelizenzen, Programmschulungen und Fortbildungen speziell für Neueinsteiger und Auszubildende müssen gratis sein.
  • Ausbildungskanzleien sollten von Seiten der Kammern auch finanziell unterstützt werden.
  • Interessierte Kanzleien brauchen Empfehlungen, vorgefertigte Materialien für Vorträge an Schulen und für die Teilnahme an Messen. Darum kümmern wir uns als Verband gemeinsam mit den Kammern.

Ich verrate Ihnen einen ganz persönlichen Traum:

Jeder von uns hat ganz oben auf seiner Prioritätenliste ab sofort ein klares Ziel: Wir alle, also jeder von uns, schließt im nächsten Herbst ein Ausbildungsverhältnis ab. Die Softwareanbieter, die Kammer und der Verband geben alles, und ich meine wirklich: alles, um uns dabei zu unterstützen. Wir machen unseren großartigen Beruf bei den jungen Menschen sichtbar und begehrt. Wir alle kommen damit unserer sozialen Verpflichtung nach und erfüllen gemeinsam den allgemeinen Ausbildungsauftrag unserer gesamten Branche. Darauf könnten wir zu Recht sehr stolz sein.

Um es mit John Lennon zu sagen: „Ein Traum, den Sie allein träumen, ist nur ein Traum – ein Traum, den Sie gemeinsam träumen, ist Realität.“ Lassen Sie uns gemeinsam diesen Traum Realität werden!  

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