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Bericht aus dem Präsidium
Digitalisierung: Aus der Not eine Tugend machen
In der 2018 von der Datev durchgeführten STAX-Befragung wurden Treiber und Hemmnisse der Digitalisierung in den Kanzleien ermittelt. Als Treiber oder Motivation für die Digitalisierung wurden u. a. der effizientere Datenaustausch mit Mandanten, der ortsunabhängige Zugriff auf Daten, die höhere Effizienz interner Geschäftsprozesse sowie die Realisierung der Heimarbeit von Mitarbeitern genannt. Als Hemmnisse wurden ein hoher organisatorischer Aufwand, der hohe IT-Weiterbildungsbedarf in der Kanzlei und die Befürchtung, dass die Kosten den erwarteten Nutzen übersteigen würden, angeführt.
Durch die Corona-Krise waren die Kanzleien, die bisher eher die Hemmnisse gesehen haben, in der „Notlage“, die Herausforderungen in sehr kurzer Zeit zu meistern. Den meisten ist dies viel schneller gelungen, als sie es sich selbst zugetraut hätten. Es wurden kurzfristig Heimarbeitsplätze geschaffen und die organisatorischen Änderungen ergaben sich fast ein wenig nebenbei. Jetzt fast zwei Jahre nach dem Beginn der Corona-Krise bemerken vor allem kleinere Kanzleien, dass hierdurch organisatorische Mängel entstanden sind. Diese können wirkungsvoll durch Kommunikationsplattformen, die sowohl den Mitarbeitern intern wie auch dem Austausch mit Mandanten dienen, gelöst werden. Bei der Auswahl der Plattform kommt es neben einer intuitiven und komfortablen Bedienbarkeit auch auf die DSGVO-Konformität und die Datensicherheit an. Für uns Steuerberater ist auch der Ort der Datenspeicherung wichtig, dieser sollte in Deutschland liegen.
Welche Entwicklungen in der Digitalisierung sind wichtig für den Berufsstand?
Laut einer Studie der KPMG Deutschland aus dem Jahr 2021 schreitet die Digitalisierung bei den Kernprozessen des Rechnungswesens weiter voran. Die Cloud-Technologie wird sich als führender Trend bei den neuen Technologien herausstellen. Die vollständige Digitalisierung der operativen Geschäftsprozesse ist weiterhin im Fokus der Digitalisierungsbestrebungen. Eine Herausforderung für die befragten Unternehmen bleibt laut KPMG die nichtfinanzielle Berichterstattung.
Die fortschreitende Digitalisierung im Rechnungswesen bringt eine Reihe von Vorteilen für die Kanzleien. Durch die zeitaktuelle elektronische Übermittlung der Belege ist es möglich, in 14-tägigem oder wöchentlichem Turnus eine OPOS-Liste zu erstellen. Von dieser ist es nur ein kleiner Schritt zur Einrichtung des Mahnwesens für den Mandanten. Gerade im Bereich der handwerklichen Mandanten schaffen wir hier einen großen Zusatznutzen, denn unser Mandant kann seinem eigentlichen Geschäft nachgehen. Und schon sind wir fast unbemerkt im Bereich der betriebswirtschaftlichen Beratung. Durch die Hinterlegung der Zins- und Tilgungspläne im Zusammenspiel mit der wöchentlichen Buchführung sind die Grundlagen für tägliche Liquiditätsvorschauen geschaffen.
Gerade die Beratung hinein in die Betriebsabläufe des Unternehmens spielt mittlerweile eine große Rolle. Die Unterstützung bei Kalkulationen, das Berechnen von Deckungsbeiträgen u. a.
ist ein Gewinn unserer Tätigkeit für Mandanten. Diese Leistungen können wir unseren Mandanten in Rechnung stellen. Gerade die Betreuung der Handwerker ist in Kanzleien oft mit einem negativen Deckungsbeitrag belastet. Durch die Nutzung der Beratungsmöglichkeiten besteht hier die Möglichkeit, dass auch diese Mandanten einen positiven Beitrag zum Kanzleierfolg leisten.
Durch die Digitalisierung kann ein weiteres Problem des Berufsstands – wenn auch nicht gelöst – so doch verringert werden. In den letzten fünf Jahren sind die Zahlen der Steuerberateranwärter rückläufig. Dies wird sich nicht erst in ein paar Jahren ein einer verringerten Zahl an möglichen Kandidaten für die Kanzleiübernahmen auswirken. Aber nicht nur die Steuerberater fehlen, es fehlen auch die Steuefachangestellten und
Steuerfachwirte.
Die Mitarbeitergewinnung für unseren Berufsstand ist weiterhin eine große Herausforderung. Lücken, die durch Familienplanung und Altersstruktur in den Kanzleien entstehen, sind nur schwierig zu füllen. Junge Mitarbeiter, die sogenannte Z-Generation, die statt von Überstunden und höherem Gehalt eher von Work-Life-Balance und 4-Tage-Woche sprechen, bevorzugen digital arbeitende Kanzleien. Es gibt bereits Kanzleien, denen es unter anderem durch die vollständige Digitalisierung ihrer Tätigkeiten erfolgreich gelungen ist, eine 25-Stunden-Arbeitswoche einzuführen.
Als einer der Vorteile der Digitalisierung wurde bereits die Möglichkeit der Arbeit im Homeoffice genannt. Die Arbeit im Homeoffice kann auch dazu beitragen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Als Beispiel hierfür sei nur die Möglichkeit der Durchführung der wöchentlichen Jour-fixe-Termine per Videokonferenz genannt.
Das große Thema der „Digitalisierung“ wird seit Jahren auch durch die Berufsstandsvertretungen vorangetrieben und ist von der Agenda nicht mehr wegzudenken. Die Corona-Krise hat sehr deutlich gezeigt, welche Folgen es haben kann, wenn keine Umsetzung in den Kanzleien erfolgte oder erst kurzfristig damit begonnen worden ist.
Berufsrechtlich kommt dies sogar durch § 4 Abs. 1 BOStB zum Ausdruck, wonach Steuerberater u. a. dazu verpflichtet sind, die für eine gewissenhafte Berufsausübung erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen zu gewährleisten. Hier sind bereits jetzt die Themen „OZG“ und “Steuerberaterplattform“ von zukunftsweisender Bedeutung.
Erfreulicherweise hat die Digitalisierung mit der lang ersehnten Änderung des § 9 StBVV durch die Fünfte Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen (BGBl. I 2020, S. 1495) auch im Abrechnungsbereich der Steuerberater Einzug gehalten. Nach § 9 Abs. 1 S. 2 StBVV kann die Rechnung vorbehaltlich der Zustimmung des Auftraggebers nunmehr in Textform, demnach auch elektronisch, erstellt werden. Auch hier bleibt es spannend, inwiefern sich digitale Prozesse in der täglichen Mandatsbearbeitung durch das Vergütungsrecht zukünftig abbilden lassen können. Dies betrifft bspw. Fragestellungen wie die Abrechenbarkeit digitaler Speicher- und Archivierungskosten.