
Allen Unkenrufen zum Trotz: Der steuerberatende Beruf bietet gute Zukunftsperspektiven
Berufsbild mit Zukunft
Einige Studien sehen schwarz für die Mitarbeiter in Steuerberaterkanzleien vieles deutet darauf hin, dass eher das Gegenteil der Fall ist.
Die LSWB-Mitgliederumfrage, deren Auswertung Sie auf Seite 18 finden, hat unter anderem zwei Erkenntnisse zu Tage gefördert: Die Mitglieder des Verbands gehen davon aus, dass Demografie und Digitalisierung in den nächsten Jahren großen Einfluss auf die Arbeit von mittelständischen Steuerberaterkanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nehmen werden.
Wie sich Prozesse, Geschäftsmodelle und das Personalmanagement unter den veränderten Rahmenbedingungen wandeln, hat das LSWB-Magazin in den letzten Jahren immer wieder in Themenschwerpunkten beschrieben: Aber was verändert sich eigentlich für die Mitarbeiter in den Kanzleien? Wie prägt die Digitalisierung ihre Arbeit? Welche Tätigkeiten warten in Zukunft auf sie? sterben die steuerberatenden Berufe aus?
Einige Studien, wie die vielzitierte Oxfordstudie zur „Zukunft der Beschäftigung“, gehen von einer hohen Computerisierungswahrscheinlichkeit der Berufsbilder in der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung aus. Auf gut deutsch: Die Jobs fallen weg. Computerprogramme übernehmen die Aufgaben. Die Studie sieht je nach Aufgabenfeld eine Digitalisierungsgefahr von 93 bis 98,5 Prozent. Keine rosigen Aussichten für Berufseinsteiger. Und auch die aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut Berufsbildung (BBB) geht künftig von wenig Fachkräftebedarf im Berufsstand aus.
Hierzu ist grundsätzlich zu sagen, dass sich diese Prognosen nicht mit den Ergebnissen der LSWB-Mitgliederumfrage decken. Diese zeichnet das Bild von einem bayernweit massiven Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Darüber hinaus muss jedoch differenziert werden zwischen Berufsbildern, die sich verändern, und Arbeitsplätzen, die wegfallen. Das jedenfalls sagen zwei Experten, die es wissen müssen: Prof. Dr. Valentin Köppert von der Hochschule für angewandtes Management (HAM) in Ismaning bei München und Prof. Thomas Zinser von der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) in Landshut. Die beiden Hochschuldozenten koordinieren die vom LSWB unterstützten Studiengänge für Kanzleimitarbeiter – Köppert das semivirtuelle Bachelor-Studium Betriebswirtschaft mit Branchenschwerpunkt Steuern, Zinser das Duale Studium Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Steuern.
Beide Studiengänge haben es sich zum Ziel gesetzt, Kanzleimitarbeiter für die steigenden Anforderungen im Job bestens zu qualifizieren. Weiterhin gute Beschäftigungschancen So sieht Prof. Zinser von der Hochschule Landshut zwar einen Wechsel der Aufgaben bei Steuerfachangestellten, den Ausbildungsberuf hält er allerdings grundsätzlich für zukunftsfähig. Und auch im Bereich der Buchhaltung möchte er den Unkenrufen der Oxfordstudie nicht gänzlich folgen: „Die klassischen Aufgaben von Buchhaltern schwinden, nicht aber die Beschäftigungsverhältnisse.“
Gerade vor dem Hintergrund der prekären Situation auf dem Arbeitsmarkt könne sich eigentlich keine Kanzlei erlauben, einen Buchhalter einfach gehen zu lassen, sagt Zinser: Die Aufgaben würden sich allerdings ändern. „Denkbar ist aber sicherlich, dass Mandanten zukünftig mehr Aufgaben im Bereich Finanz- und Rechnungswesen auf ihren Steuerberater beziehungsweise dessen Mitarbeiter auslagern. Zudem ist mir auch vor dem Hintergrund der gerade erst so richtig aufkommenden Diskussion um Tax Compliance um die zukünftige Auslastung unserer Mitarbeiter nicht bang.“ Insofern stimmt Zinser dem Ergebnis der jüngst vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlichten Studie zu, wonach die steuerberatenden Berufe künftig sogar zu den Gewinnern zählen werden. Fest steht für Zinser allerdings auch, dass Kanzleimitarbeiter künftig mehr Flexibilität und einen noch größeren Willen zur Weiterbildung mitbringen müssen.
Professor Köppert von der HAM sieht ebenfalls gute Zukunftsperspektiven in der Steuerberatung: Trotz des Wegfalls zahlreicher Kanzleitätigkeiten aufgrund der Digitalisierung werde es eher noch schwieriger, den Mitarbeiterbedarf zu decken. „Schlicht, weil es vielerorts an der Beherrschung der Essentials fehlt: Pünktlichkeit, Höflichkeit, die Fähigkeit einen fehlerfreien Mandantenbrief zu schreiben.“ Das seien Fähigkeiten, die alteingesessene Fachkräfte noch beherrschen. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass Kanzleichefs auf diese Mitarbeiter verzichten können.“
Alte und neue Fähigkeiten gefragt
Neben den Grundqualifikationen, die Köppert beschrieben hat, beobachtet HAW-Dozent Zinser, dass Arbeitgeber aktuell vor allem nach zwei Qualifikationen suchen: EDVAffinität und Fremdsprachenkenntnisse. Ein Trend, der sich seiner Meinung nach verfestigen wird. Denn mit der immer bedeutenderen Rolle, die die Digitalisierung in der Steuerberatung spielt, wachse auch der Bedarf an Mitarbeitern, die sich in dieser Welt zurechtfinden: „Wenn ich junge Menschen beobachte, bin ich immer wieder beeindruckt, wie schnell sie sich in neue Programme einarbeiten“, berichtet Zinser. Vor den Hintergrund immer kürzerer Innovationszyklen bei der Software sei das ein unschätzbarer Vorteil.
Ferner spiele die grenzüberschreitende Steuerberatung auch bei kleinen und mittleren Kanzleien eine immer größere Rolle. „Damit wachsen auch die Anforderungen an das Englisch der Mitarbeiter“, so Zinser. Mit „Schulenglisch“ sei es hier nicht getan, und leider nehme die Vertiefung der Fremdsprachenkenntnisse bei der Ausbildung nur einen geringen Raum ein. „Schon heute achten Personalverantwortliche in grenzüberschreitend tätigen Kanzleien daher sehr stark auf nachweisbare Qualifikationen in diesem Bereich.“
Nicht überraschend sind beide Hochschuldozenten überzeugt, dass das akademische Qualifikationsniveau in Zukunft auch auf Mitarbeiterebene ansteigen wird. So verbindet das Duale Studium, das in Landshut angeboten wird, eine praktische Ausbildung in der Kanzlei mit dem theoretischen Fundament eines betriebswirtschaftlichen Bachelor-Studiengangs. Zinser sieht vor allem die erhöhte Problemlösungskompetenz seiner „Dualis“ als ihren entscheidenden Vorsprung an: „Die Steuerfachangestelltenprüfung zielt vor allem auf Wissenserwerb ab. Wir versuchen dagegen, ein systemisches Verständnis vom Steuerrecht zu vermitteln und die analytische Kompetenz, Probleme zu lösen“ erläutert Zinser. Insbesondere, wenn sich Kanzleien mehr und mehr von Standardaufgaben wie Finanz- und Lohnbuchhaltung entfernen und stärker in die Beratung gehen, werde diese Qualifikation an Bedeutung und Wert gewinnen.
Flexibilität nimmt zu
Köppert sieht vor allem die wachsende Flexibilität seiner Studenten als den großen Vorteil der Hochschulqualifikation: Ein Studium vermittle die Fähigkeit des Wissenserwerbs, so der Dozent: „Man lernt lernen.“ Mitarbeiter können sich daher wesentlich besser in neue Tätigkeitsfelder einarbeiten, Weiter- und Fortbildungen erfolgreicher abschließen und das Erlernte schneller in den Arbeitsalltag integrieren. „Diese Fähigkeit gibt Arbeitgebern und Arbeitnehmern natürlich auch eine gewisse Freiheit, da der Mitarbeiter universeller einsetzbar ist“, erklärt Köppert.
Der Professor will aber auch die Schwierigkeiten nicht verschweigen, die damit einhergehen – zumindest aus Arbeitgebersicht: „Es ist toll, wenn Mitarbeiter flexibel, ehrgeizig und gut ausgebildet sind. Aber es wird dadurch auch zur immer größeren Herausforderung, sie dauerhaft zu binden.“ Die Digitalisierung erlöst Kanzleiinhaber also nicht von der Pflicht, sich darüber Gedanken zu machen, wie sie ihre Angestellten motivieren und durch Perspektiven an die Kanzlei binden.