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Berufsrecht, Tax Law Clinic und das dazugehörige disruptive Geschäft
Geplante Reformen auch für Steuerberater
Während der anwaltliche Rechtsmarkt nahezu wöchentlich Neuerungen vom Gesetzgeber oder den (Anwalts-)Gerichten über sich ergehen lassen muss, wurde der Steuerberater im Rahmen seines Berufsrechts in der jüngeren Vergangenheit mit eingreifenden Änderungen weitestgehend verschont. Diese Ruhephase könnte sich in naher Zukunft jedoch ändern: Sowohl die anhaltende Pandemiesituation und die damit einhergehende Digitalisierung als auch der Gesetzgeber mit der Reform des StBerG (vor allem der Schaffung einer Berufsausübungsgesellschaft) sorgen für frischen Wind im Berufsrecht der Steuerberater.
Pandemie und Berufsrecht
Durch die anhaltende Corona-Krise sind die Umsätze vieler Unternehmen weiterhin rückläufig. Viele Mandanten haben in der aktuellen Gesamtsituation erhöhten Beratungsbedarf. Über den klassischen Inhalt der steuerberatenden Tätigkeit (vgl. § 33 StBerG) hinaus steckt das Rechtsdienstleistungsgesetz den Rahmen für erlaubte Beratung und Vertretung ab. Steuerberater dürfen Dienstleistungen ohne rechtliche Einzelfallprüfung erbringen sowie Nebenleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, die zu ihrem Berufs- oder Tätigkeitsbild gehört. Hierzu zählen im Kontext mit Corona – neben klassischen Bereichen wie der Prüfung der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft – vor allem Themen wie Überbrückungshilfen, Kurzarbeit, Liquiditätsüberwachung sowie die Beratung zu Fördermitteln und -programmen. Nicht erlaubt sind hingegen bspw. die Beratung in Bezug auf Kündigungs- oder Stundungsmöglichkeiten von Miet- oder Darlehensverträgen oder etwa die Beratung in arbeitsrechtlichen Fragen zum Homeoffice.
Berufsausübungsgesellschaft
Die große Reform der Berufsrechte u. a. für Steuerberater steht bevor und soll noch im Sommer 2021 verabschiedet werden. Seit Januar nun gibt es einen Regierungsentwurf zum kommenden Gesetz (kurz: dem „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften“). Erklärtes Ziel der Neuerungen ist es vor allem, Vollständigkeit und Kohärenz zwischen den einzelnen Berufsordnungen zu schaffen und ein in sich geschlossenes und modernes Gesamtsystem für Berufsausübungsgesellschaften zu entwickeln.
Nach dem Gesetzesentwurf sollen als Schwerpunkt der Reform insbesondere Steuerberater in Berufsausübungsgesellschaften mit anderen freien Berufen im Sinne des § 2 PartGG tätig werden dürfen. Dazu sollen sie künftig alle nationalen und europäischen Gesellschaftsformen für die Berufsausübung auswählen können.
Hierbei sind sechs wichtige Gesichtspunkte zu nennen:
- Adressat der berufsrechtlichen Regelungen soll stets die Berufsausübungsgesellschaft – und nicht mehr der einzelne Berufsträger – sein. Es erfolgt eine Zurechnung des Verhaltens von Leitungspersonen oder sonstigen Personen, deren Pflichtverletzungen durch angemessene organisatorische, personelle oder technische Maßnahmen hätten verhindert oder wesentlich erschwert werden können. Die Berufsausübungsgesellschaft ist selbst postulationsfähig, muss jedoch vor Gericht durch eine entsprechende zugelassene Person handeln (sog. „Berufsträgervorbehalt“).
- Die sozietätsfähigen Personen werden auf alle freien Berufe erweitert, sofern keine „Bedenken“ bestehen. Für den nichtsteuerberatenden Gesellschafter gelten dann auch die „fremden“ Berufspflichten.
- Die Berufsausübungsgesellschaft bedarf einer gesonderten Anerkennung durch die zuständige Steuerberaterkammer. Auch mehrstöckige Gesellschaften sollen möglich werden.
- Berufsausübungsgesellschaften, bei denen Steuerberater und Steuerbevollmächtigte die Mehrheit der Stimmrechte innehaben und bei denen die Mehrheit der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, dürfen die Bezeichnung „Steuerberatungsgesellschaft“ führen.
- Eine reine Kapitalbeteiligung soll weiterhin verwehrt bleiben.
- Der Gesetzesentwurf sieht eine Kopplung der Mindesthaftpflichtversicherungssummen an die Haftungsstruktur der Berufsausübungsgesellschaft vor.
Herausgabe und Verschwiegenheit
Es ist hinlänglich bekannt, dass ein Steuerberater nach Beendigung des Auftrags auf Aufforderung die Mandantenunterlagen (§ 66 StBerG) herauszugeben hat. Streitig ist aber, wer den ehemals beauftragten Steuerberater von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden kann: Nur der zwischenzeitlich insolvente Mandant oder auch der bestellte Insolvenzverwalter? Der BGH (Beschluss vom 27.01.2021 – StB 44/20) hat dies jüngst im sog. „Wirecard-Skandal“ klären müssen. Er führte aus, dass es einzig auf die Entbindung durch den Vertragspartner, hier die AG, ankomme. Soweit für juristische Personen innerhalb des berufsbezogenen Vertrauensverhältnisses natürliche Personen tätig geworden sind, bedürfe es deren zusätzlicher Entbindungserklärung grundsätzlich nicht, es sei denn, diese hätten ein eigenes Mandatsverhältnis begründet. Im Falle der Insolvenz geht mit der Insolvenzverwalterbestellung gem. § 80 Abs. 1 InsO die Dispositionsbefugnis des Geheimnisherrn auf den Verwalter über, da sich dessen Verwaltungs- und Verfügungsrechte nicht ausschließlich auf das Gebiet des Vermögensrechts beschränken. Dieser sei insoweit berechtigt, den Berufsgeheimnisträger von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, wie sich das Vertrauensverhältnis auf Angelegenheiten der Insolvenzmasse bezieht. Einer zusätzlichen Entbindungserklärung durch frühere oder gegenwärtige Organe bedürfe es deshalb grundsätzlich nicht.
Tax Law Clinic: ein Beispiel für disruptive Geschäftsmodelle
In Hannover wurde die erste Tax Law Clinic gegründet, die nach Vorbildern aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum kostenlose Steuerberatung durch Studierende anbietet, die nicht die Voraussetzungen für die zulässige Hilfeleistung in Steuersachen erfüllen. Der BFH hat im Beschluss vom 30.9.2020 - VII B 96/19 eine Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit einer solchen Beratung durch Studierende abgelehnt, da kein Feststellungsinteresse bestehe, solange die Beratung nur geplant sei. 2021 soll nun die erste Tax Law Clinic in Deutschland an den Start gehen. Der BFH zwingt also die Studenten und begleitenden Berufsträger/Professoren quasi dazu, einen Verstoß gegen das StBerG bzw. RDG zu begehen. Die Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtsdienstleistung, also der Beratung in einer fremden Rechtsangelegenheit, nach § 6 RDG war – als Auffangtatbestand zu den spezielleren §§ 7 f. RDG – vor allem aus karitativen Zwecken geschaffen worden, um auch mittellosen Rechtsuchenden Rechtsrat zu ermöglichen. Um eine gewisse Fachqualität sicherzustellen, muss die unentgeltliche Rechtsdienstleistung durch eine qualifizierte Person, etwa einen Rechtsanwalt oder - im konkreten Fall - auch einen Steuerberater, §§ 2 f. StBerG oder wenigstens unter Anleitung einer solchen Person erfolgen (§ 6 Abs. 2 RDG). Es stellt sich in diesem Zusammenhang die entscheidende Frage, in welchem Verhältnis die Regelung des RDG und des (engeren) StBerG zur Zulässigkeit der (studentischen) Rechtsberatung zueinander stehen und wie sich ihr Konflikt gegebenenfalls auflösen lässt.
Publikation des Autors
Der vorliegende Regierungsentwurf des BMJV (Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe) sieht weitreichende Änderungen im berufsrechtlichen Teil des StBerG vor und soll in Kürze verabschiedet werden. Mit Erläuterungen und Bespielen schafft der Titel „Berufsrecht für Steuerberater“ von RA Tim Günther hier Transparenz.
1. Auflage 2021, ca. 200 Seiten
vsl. 54,90 €, nwb-Verlag
ISBN 978-3-482-68091-5
vsl. Erscheinung im Juli/August 2021