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Bewerben kommt von Werben
Schaffen Sie für Ihre potenziellen Teammitglieder ein positives Erlebnis!
Nicht selten hören wir in unseren Beratungsaufträgen in Kanzleien den Satz: „Wir haben schon Mandate abgesagt, weil wir nicht genug Personal haben.“ Kanzleien sind inzwischen regelmäßig auf Ausbildungsmessen und Berufsorientierungstagen und an Hochschulen zu finden. Sie werben um den Nachwuchs in der Branche – viele Kanzleien sehen sich mit einem Fachkräftemangel konfrontiert.
So stellt sich die Frage, wie Sie die Aufmerksamkeit potenzieller Bewerber auf sich ziehen können, um den passenden Nachwuchs und neue Mitarbeiter zu finden. Die Stellenausschreibung ist nach wie vor eine gute Chance, den ersten Kontakt zu etwas Besonderem zu machen. Verschwinden Sie nicht im Einheitsbrei – der erste Eindruck zählt auch hier. Wählen Sie statt der standardisierten Stellenanzeige eine besondere, ungewöhnliche Art, Ihre Bewerber anzusprechen. Passen Sie Ihre Sprache denen an, die Sie ansprechen wollen. Hier passt das alte Sprichwort: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“ – idealerweise schmeckt er aber beiden! Sie suchen junge, dynamische Mitarbeiter, die Spaß an der Arbeit mitbringen? Dann muss so originell auch Ihre Ausschreibung formuliert sein. Sie suchen „erfahrene Hasen und Häsinnen“? Dann sprechen Sie diese gezielt an, indem Sie die Attraktivität der Stelle genau für diese Zielgruppe hervorheben. Dabei müssen Sie das Rad nicht neu erfinden. Gegen den klassischen Aufbau einer Stellenausschreibung ist nichts einzuwenden, denn dieser ist klar und übersichtlich: Wer wird gesucht, wer sind wir, was erwarten wir, was haben wir zu bieten und wie kann ich mich bewerben? Formulieren Sie hierbei knapp und präzise und beschränken Sie sich auf maximal fünf ausgewählte Punkte zur Stellenbeschreibung und den geforderten Kompetenzen. Formulieren Sie aktiv und verzichten Sie auf Phrasen, Füllwörter und Substantivierungen, verwenden Sie stattdessen Verben.
Nach der Stellenausschreibung ist vor dem Kennenlernen
Wenn Ihre Stellenausschreibung erfolgreich war, folgen die ersten eingehenden Bewerbungen. Hier ist nun Ihre zweite Chance für ein besonderes Kontakterlebnis mit Ihrer Kanzlei. Nehmen Sie zeitnah Kontakt auf und bestätigen Sie den Eingang der Bewerbungsunterlagen. In der Bestätigung geben Sie Infos zum weiteren Verlauf des Bewerbungsprozesses und nennen einen verbindlichen Termin/Zeitraum, zu dem Sie sich erneut melden werden. So hat Ihr potenzielles neues Teammitglied direkt Transparenz und Klarheit über die nächsten Schritte und fühlt sich wertgeschätzt und gut informiert. In der Regel findet im nächsten Schritt ein Telefoninterview oder ein erstes Kennenlerngespräch statt. In unserem Unternehmen haben wir uns vom Begriff des „Vorstellungsgesprächs“ verabschiedet. Beide Parteien lernen sich kennen und schauen, ob das Unternehmen der Bewerberin oder dem Bewerber zusagt und umgekehrt – es findet also auf Augenhöhe statt. Hier können Sie schon einen ersten Eindruck vom Miteinander in Ihrer Kanzlei geben. Möchten Sie, dass sich jemand Ihnen vorstellt, oder möchten Sie, dass Sie sich kennenlernen und so zu einer Entscheidung kommen? Sie sind gut beraten, sich hierzu auch intensiv mit Ihrer Kanzleikultur zu befassen. Welche Kultur findet ein neues Teammitglied vor? Ist die Stellenanzeige auf Augenhöhe formuliert und lässt auf ein zeitgemäßes Miteinander schließen? Dann muss genau dieser Rückschluss auch im Face-to-Face-Erlebnis spürbar sein!
Beziehen Sie Ihr Kanzleiteam in Ihre Stellenbesetzung mit ein, sodass allen bewusst ist, dass der Bewerbungsprozess läuft und die Kennenlerngespräche anstehen. Von der Begrüßung bis zur Verabschiedung sollen sich die Bewerber wohlfühlen und einen realen Eindruck Ihrer Kanzlei bekommen. Wir dürfen nicht unterschätzen, wie viele Entscheidungen in Bewerbungsprozessen aufgrund des Bauchgefühls getroffen werden – auf beiden Seiten. Vor dem Kennenlerngespräch haben Sie bereits intern geklärt, wer an dem Gespräch teilnimmt. Ist vielleicht im ersten Gespräch eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter dabei und kann aus dem Arbeitsalltag berichten?
Eine gute Möglichkeit, um Fragen zu den Aufgaben direkt von der Person beantworten zu lassen, die diese täglich erledigt. Auch wichtig: Sorgen Sie für störungsfreie Zeit. Die Aufmerksamkeit hat allein unser Gegenüber – mögliche Störquellen lassen wir am Arbeitsplatz liegen und nehmen sie nicht mit ins Gespräch. Werden Sie kreativ, wenn Sie Ihre Fragen für das Kennenlerngespräch entwickeln. Die Frage nach den Stärken und Schwächen hebt Sie nicht unbedingt von anderen Gesprächspartnern ab. Hier erhalten wir meist Standardantworten, die von Dr. Google empfohlen werden – über den Menschen erfahren wir schlimmstenfalls nichts. „Wie stellen Sie sich die ersten drei Monate hier bei uns vor?“ „Was müsste passieren, damit Sie den Schritt zu uns bereuen?“ Die Antworten auf diese Fragen dürften mehr Informationen liefern, die wir für unseren Entscheidungsprozess benötigen.
Betreten Ihre Finalisten dann schließlich Ihre Kanzlei, empfangen Sie sie offen und herzlich. Die Bewerber sind wahrscheinlich sehr aufgeregt. Etwas Small Talk z. B. zur Anreise dient der Auflockerung der Atmosphäre und die Aufregung kann sinken. Wir wissen: Nur wer sich wohl fühlt, kann sein wahres Ich zeigen.
Um das Gespräch einzuleiten, stellen Sie sich und Ihre Kollegen im Raum namentlich vor und erklären grob den Ablaufplan des Gesprächs. Nach einer kurzen Vorstellung jedes Teilnehmenden (Arbeitgeber zuerst) können Sie in den Dialog zum Lebenslauf einsteigen. Hierbei ist wichtig, dass Sie einen roten Faden für sich entwickelt haben, um am Ende des Gesprächs alle Informationen zu haben, die Sie für eine Einschätzung der Eignung benötigen. Bleiben Sie aber flexibel genug, um auch kurze Ausflüge in andere Themen zulassen zu können – so erweitern Sie die Möglichkeiten des Kennenlernens und der Gesprächsthemen.
Heute mehr denn je haben die Arbeitnehmer von morgen eine genaue Vorstellung, wo und wie sie arbeiten möchten – Entwicklungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, ein Umgang auf Augenhöhe, Feedback und Klarheit für die anstehenden Herausforderungen der Digitalisierung sind einige Aussagen, die uns hier immer wieder begegnen. Zeigen Sie die Möglichkeiten auf und werben Sie im Gespräch für Ihre Kanzlei – bleiben Sie dabei aber unbedingt ehrlich.
Stellen Sie die Werte und die Arbeitskultur Ihrer Kanzlei vor. Bei Ihnen gibt es regelmäßig ein After-Work-Treffen mit den Teammitgliedern? Dann erzählen Sie lebhaft davon. Findet Ihr Gegenüber dies abschreckend, dann passt er/sie vielleicht nicht so gut ins Team. Am Ende des Gesprächs geben Sie noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Daraus lässt sich noch einmal das ernsthafte Interesse des möglichen neuen Teammitglieds ablesen und Sie erfahren auch etwas über die Recherchearbeit im Vorfeld. Geben Sie zum Abschluss erneut einen Überblick des weiteren Vorgehens. Wann melden Sie sich wieder bzw. wann wird eine Entscheidung getroffen? Eine angenehme und verbindliche Verabschiedung rundet das professionelle Gespräch ab.
Bedenken Sie bei der Entscheidungsfindung und Bewertung der Interviews: Mangelndes Fachwissen kann in der Regel nachgeholt werden. Fehlende soziale Kompetenzen lassen sich nur schwer verändern und sollten daher einen größeren Fokus bekommen. Bei dem langfristigen Erfolg einer Stellenbesetzung ist es entscheidend, dass alle notwendigen Kompetenzen wie Persönlichkeit, Sozialkompetenz oder auch Methodenkompetenz zusätzlich zur fachlichen Eignung in den Entscheidungsprozess miteinfließen.
Schaffen Sie Ihren zukünftigen Teammitgliedern ein angenehmes Bewerbungs- und Kennenlernerlebnis und steigern Sie so die Chance, dass die Wahl der Kanzlei auf Ihre Kanzlei fällt. Bewerben findet heute gegenseitig statt: Ihr neues Teammitglied bewirbt sich um eine Stelle bei Ihnen und Sie bewerben sich als Arbeitgeber!