Foto: christianthiel.net/adobe stock

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Der DStV stellt sich vor

Teil 2: Referat Europarecht – Interessenvertretung in Brüssel und Berlin

Von Attila Gerhäuser, Geschäftsführer des DStV

Wie stark ist die nationale Gesetzgebung durch Europarecht beeinflusst? Dazu gibt es unterschiedliche Erhebungen. Eine Aussage haben aber alle gemein: Der Einfluss der europäischen Binnenmarktgesetzgebung wird in Zukunft weiter zunehmen. Auch im Berufsrecht der Steuerberater spielen Richtlinien und Initiativen aus Brüssel bereits eine große Rolle und stellten jüngst sogar Grundpfeiler des deutschen Berufsrechts wie die Vorbehaltsaufgaben oder das Berufsgeheimnis in Frage. Vor diesem Hintergrund traf der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (DStV) unter Führung seines Präsidenten StB/WP Harald Elster die Entscheidung, die europäische Interessenvertretung auszubauen. Wie das neue DStV-Trio „Team Europa“ arbeitet und welche Köpfe dahinterstecken, möchten wir Ihnen hier gerne vorstellen.

Das Team Europa

In einem modernen Bürogebäude mitten im Brüsseler Europaviertel steht der Schreibtisch von Marc Lemanczyk, seit Oktober 2019 Leiter des DStV-Europabüros. Der Jurist verfügt nach mehr als zehn Jahren Arbeitserfahrung im EU-Parlament über ein breites Netzwerk und kennt die Abläufe im europäischen Gesetzgebungsverfahren in- und auswendig. Gespräche mit Europaabgeordneten oder EU-Beamten führt er außer in seiner Muttersprache Deutsch problemlos auch in drei weiteren EU-Amtssprachen.

Von Berlin aus unterstützt Manuel Knapp, DStV-Referatsleiter Europa, unser Team. Für den social-media-affinen Netzwerker ist das europapolitische Berlin eine vertraute Bühne. Zuletzt arbeitete er für die Europäische Bewegung Deutschlands und die Vertretung der EU-Kommission in Berlin. Auch in seiner Freizeit versetzt ihn der Einsatz für Europa in produktive Unruhe. Neben seinem ehrenamtlichen Engagement für die Europa-Union, ist Manuel Knapp auch Herausgeber des „Europapodcast“ (europapodcast.de), was ihm im letzten Jahr sogar die Nominierung für den Europapreis „Blauer Bär“ des Landes Berlin einbrachte.

Der Dritte im Bunde ist Attila Gerhäuser, DStV-Geschäftsführer und verantwortlich für die Europa- und Berufsrechtsabteilung. Die letzten sieben Jahre vor seinem Wechsel 2019 nach Berlin arbeitete er in Brüssel für das EU-Parlament und in leitender Funktion beim Verband der Chemischen Industrie. Komplettiert wird das Team Europa von Gabriela Jahnke. Die einzige „echte“ Berlinerin im Team ist ein wahres Organisationstalent und sorgt mit ihrem engagierten Einsatz für reibungslose Abläufe in der gesamten Europa- und Berufsrechtsabteilung. Europapolitik zwischen Brüssel und Berlin Ein Team, zwei Standorte: Aufgrund der engen Verzahnung in der Europapolitik verteilt sich die Interessenvertretung auf die belgische Hauptstadt mit ihren EU-Institutionen und gleich in doppelter Weise auf Berlin. Denn einmal ist Berlin Regierungssitz des wichtigsten EU-Ratsmitglieds. Zum anderen erfolgt die EU-Gesetzgebung vielfach in Form von Richtlinien, die anschließend noch in nationales Recht umgesetzt werden müssen. EU-Richtlinien unterliegen in der Regel dem Prinzip der Mindestharmonisierung. Dies bedeutet, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung über die Mindestanforderungen des Brüsseler Gesetzestextes hinausgehen können. Man spricht hier von „Gold-plating“. Zumindest den Versuch des „Gold-platings“ hatte zuletzt Bundesfinanzminister Olaf Scholz bei der Umsetzung der DAC 6-Richtlinie unternommen. Die EU-Vorgaben sahen eine Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle vor. Bei der Umsetzung beabsichtigte der Bundesfinanzminister eine Ausweitung auch auf innerstaatliche Konstruktionen. Letztlich blieb es, nicht zuletzt aufgrund des engagierten Einsatzes des DStV, jedoch beim Versuch.

Wie Europarecht das deutsche Berufsrecht beeinflusst Die EU-Kommission hat den Auftrag, den europäischen Binnenmarkt zu vollenden. Dabei hat sie das Berufsrecht als Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr in Europa ausgemacht. Solche Hindernisse bzw. Eingriffe können zwar gerechtfertigt sein, insofern sie einem legitimen Zweck dienen (z. B. Verbraucherschutz) und verhältnismäßig sind. Im Fall der Vorbehaltsaufgaben der Steuerberater wertet die EU-Kommission die Regelung insbesondere aufgrund des extensiven Ausnahmekatalogs des § 4 StBerG (Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen) teilweise als inkohärent und stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit fest. Nach wie vor dauern die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der Brüsseler Behörde an. Sollte keine Einigung erzielt werden, erhebt im nächsten Schritt die EU-Kommission Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Sollte der EuGH der Argumentation der Klägerin folgen, müsste die Bundesregierung die entsprechenden Vorschriften abändern.

Einen Vorgeschmack auf zukünftige Herausforderungen lieferte der Kommissionsvorschlag zum Gesetz über digitale Dienste („Digital Services Act“). Bis zur Veröffentlichung des Vorschlags im Dezember befürchteten Insider, dass auch digital erbrachte Dienstleistungen von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern in den Anwendungsbereich des Vorschlags fielen und damit die Tür zur Einführung des Herkunftslandprinzips geöffnet würde. Dienstleistungserbringer aus dem EU-Ausland hätten sich im schlimmsten Fall nicht mehr an die Vorgaben im deutschen Berufsrecht halten müssen. Der DStV hat zusammen mit der BStBK im Rahmen der gemeinsamen europapolitischen Kooperation „German Tax Advisers“ an der öffentlichen Konsultation teilgenommen, Stellungnahmen versandt und in zahlreichen Hintergrundgesprächen dagegengehalten. Dieser Einsatz hat sich gelohnt. Letztlich beschränkte sich der Kommissionsentwurf auf die Vermittlung von Dienstleistungen durch E-Plattformen und E-Marktplätze und verzichtete gänzlich auf einen Bezug zu digitalen Dienstleistungen von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern.

Die Interessenvertretung kann nur mit einer proaktiven Ausrichtung erfolgreich sein. In Zukunft wird das DStV-Team Europa noch stärker im Austausch mit den europäischen und nationalen Partnerverbänden die Werte Compliance, Qualität, Verbraucherschutz und Unabhängigkeit von Steuerberatern offensiv bewerben, damit die Vorteile für Mandanten, Staat und Gesellschaft auch in Brüssel und den anderen Mitgliedstaaten als Errungenschaften und nicht als „Hindernisse“ im EU-Binnenmarkt wahrgenommen werden.

  • v. l. n. r: Manuel Knapp, StB/WP Harald Elster, MdB Martin Schulz und Attila Gerhäuser