Foto: denisismagilov/adobe stock

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Die Blockchain-Technologie

Aktueller Stand und Ausblick

Von Christine Völzow, GF Abt. Wirtschaftspolitik vbw Bayern

Das Schlagwort Blockchain kennt inzwischen jeder, der sich für Digitalisierung interessiert. Die Einschätzungen gehen allerdings weit auseinander: vom bloßen Hype ohne Substanz dahinter bis zum entscheidenden Game Changer, der unsere Wirtschaftsstrukturen auf den Kopf stellt. Tatsächlich lohnt sich ein näherer Blick.

Was ist eine Blockchain?

Die Blockchain ist ein kontinuierlich erweiterbares dezentrales Datenregister. Jede Veränderung oder Transaktion (z. B. Zahlungsinformation, Vertrag, Statusinformation) wird chronologisch und transparent erfasst und in Blöcken kryptografisch miteinander verkettet. Jeder Block enthält eine Prüfsumme des vorhergehenden Blocks und stellt damit die Integrität sicher. Typischerweise werden die Daten auf vielen Rechnern verteilt abgespeichert; die Teilnahme steht grundsätzlich jedem frei (öffentliche Blockchain). Auch eine private Blockchain mit Zugangsbeschränkung ist denkbar. Hier muss dann allerdings ein zentraler Betreiber die Zugangsvoraussetzungen festlegen und überwachen, der Nutzer muss sich in der Regel identifizieren.

Worin liegen die Vorteile?

Mit der Blockchain-Technologie werden – je nach konkretem Einsatzgebiet – hohe Transparenz, Manipulationssicherheit, Beschleunigung und Kostenersparnis bei Transaktionen jeder Art verbunden, und das ohne eine zentrale Organisation. Eine wesentliche Neuerung der öffentlichen Blockchain liegt darin, dass sichere und nachprüfbare Transaktionen zwischen Fremden ohne die Einschaltung von vertrauenswürdigen Mittelsmännern ermöglicht werden.

Die damit verbundenen Chancen sind dementsprechend groß, möglicherweise aber auch das disruptive Potenzial für jene Branchen, die die entsprechenden Transaktionen bisher zentral als Mittelsmann organisieren, beispielsweise Banken.

Praktische Anwendung

Die Kryptowährung bitcoin ist der bis heute wohl bekannteste Anwendungsfall der Blockchain-Technologie. Weitere Einsatzgebiete sind zum Beispiel die humanitäre Hilfe (UN World Food Programme), Identitäts- und Zugriffsmanagement (Bankenindustrie Kanada) oder die Verwaltung behördlicher Unterlagen wie Eigentumsnachweise und Genehmigungen (Dubai). Auch in Bayern und Deutschland werden in etlichen Unternehmen Blockchain-Projekte umgesetzt – vom Energiesektor über Finanztransaktionen bis hin zum Ticketing im Sport. Große Bedeutung in der Praxis hat die Technologie bisher allerdings nicht, die meisten Anwendungen haben Pilotcharakter. Die Zurückhaltung hat mehrere Ursachen. Unter anderem gibt es bislang nicht die eine „Killerapplikation“, die den Nutzen direkt greifbar macht, zum anderen bestehen gewisse Unsicherheiten hinsichtlich des Rechtsrahmens.

Rechtsrahmen klären: vbw-Studie von Prof. Dirk Heckmann

Wichtig für mehr Wertschöpfung am Standort ist, dass unser Rechtsrahmen Innovationsoffenheit gewährleistet. Dazu gehört immer, zunächst zu analysieren, wie neue Sachverhalte und neue Technologien nach geltendem Recht zu beurteilen sind, wo sie an Grenzen stoßen und welche Risiken möglicherweise mit ihrem Einsatz verbunden sind. Erst dann kann und muss geprüft werden, wo möglicherweise gesetzgeberisches Handeln vonnöten ist. Dazu haben wir im Rahmen der oben erwähnten Arbeiten des Zukunftsrats die Studie „Blockchain und Smart Contracts. Recht und Technik im Überblick“ erstellen lassen. Verfasst hat sie für uns Prof. Dirk Heckmann, mittlerweile Inhaber des Lehrstuhls für Recht und Sicherheit der Digitalisierung an der Technischen Universität München.

Juristische Herausforderungen beim Einsatz der Blockchain-Technologie ergeben sich insbesondere daraus, dass es keine zentrale Stelle gibt, die zum Beispiel Verantwortlicher im Sinne des Datenschutzrechts wäre oder bei etwaigen Haftungsfragen in Anspruch genommen werden könnte. Die dauerhafte Festschreibung der Informationen kann auch zu einem Konflikt mit dem Recht auf Vergessenwerden führen.

Blockchain-Strategien in Bayern und im Bund

Der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft hat in seinen Handlungsempfehlungen von 2017 „Neue Wertschöpfung durch Digitalisierung“ dazu geraten, potenziell disruptive Technologien frühzeitig zu identifizieren und zu prüfen, welche Wertschöpfungspotenziale darin liegen. Mit Pilotprojekten und gezielter Forschung solle insbesondere auch der Staat in seinem eigenen Bereich die Chancen der Blockchain ausloten. Damit wird zugleich auch die oben skizzierte Unsicherheit in der Rechtsanwendung teilweise beseitig. Die Empfehlungen sind auf fruchtbaren Boden gefallen.

Der Freistaat Bayern hat am 11. Februar 2020 seine Strategie „Block – Chain – Trust“ vorgelegt. Sie will Bayern als international führenden Standort etablieren, umsetzungsorientiert eigene Kompetenzen aufbauen und den Bürgern einen informierten Umgang mit der Technologie ermöglichen.

Als konkrete Anwendungen im öffentlichen Bereich in Bayern werden derzeit unter anderem die folgenden Ansätze geprüft:

  • Verifikation von digitalen Zeugnissen
  • Identifikation von Online-Händlern zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug
  • Aufbau eines übergeordneten Identitätsmanagements für verschiedene Portale im Freistaat
  • Dokumentation der rechtlichen Gültigkeit digitaler Dokumente (z. B. notarieller Vollmachten)

Grundsätzlich sind die Bedingungen am Standort Bayern gut. Mit der starken Versicherungswirtschaft und Industrie sind potenzielle Anwender – die teilweise auch bereits in entsprechenden Konsortien Projekte vorantreiben – ebenso am Standort vertreten wie eine aktive Gründerszene. Auch wissenschaftliche Kompetenzen sind vorhanden. Unter anderem wird das Fraunhofer Institut für angewandte Informationstechnik am Standort Bayreuth zum Thema Blockchain weiter ausgebaut, wie die Hightech Agenda Bayern bekräftigt.

Die Bundesregierung hat im September 2019 ebenfalls eine Blockchain-Strategie beschlossen, die allerdings noch der Konkretisierung bedarf. Auch die EU hat das Thema auf dem Radar, unter anderem in ihrem „White Paper KI“ aus dem Februar 2020.

Ausblick

Die zunehmend dezentrale Organisation der verschiedensten Lebens- und Arbeitsbereiche im Internet der Dinge wird in jedem Fall eine Technologie benötigen, die auch ohne zentrale Instanz verlässlich Transaktionen dokumentiert. Die skizzierten Rechtsfragen stellen sich in ganz ähnlicher Weise bei jeder Anwendung, die das leistet. Bund und Freistaat Bayern müssen mit ihren Blockchain-Strategien und vor allem mit deren Umsetzung nun Antworten darauf geben. Entscheidend ist, ob der Einsatz der Technologie einen Mehrwert gegenüber herkömmlichen Lösungen bringt, beispielsweise durch ein höheres Sicherheitsniveau, bzw. – wie bei einer Transformation des bisher an bestimmte verkörperte Originaldokumente geknüpften Gutglaubenschutzes in die digitale Welt – neue Möglichkeiten eröffnet.