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Die Mitarbeiter: Nicht bilanzierbarer Wert einer Steuerkanzlei
Gedankenanstöße aus Sicht zweier Kanzleimitarbeiter
Wären Ihre Mitarbeiter ein bilanzierbares Wirtschaftsgut: Wären sie bei Ihnen Anlage- oder Umlaufvermögen? In Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung hat die Fluktuation in vielen Branchen rasant zugenommen. Hiervon sind die steuerberatenden Berufe ebenfalls stark betroffen. Innerhalb einer Branche mit einem grundsätzlichen Mangel an Fachkräften, gepaart mit einem Überangebot an Arbeitsstellen durch das Internet und dem aktiven, teils aggressiven Abwerben beispielsweise durch Headhunter, war die Hürde eines Jobwechsels nie niedriger als derzeit. Wie kann der Arbeitgeber dem entgegenwirken und seine Mitarbeiter langfristig halten?
Der größte Wert einer jeden Steuerkanzlei, der sich nicht genauer beziffern lässt, ist der Mitarbeiterstamm. Die Tätigkeiten in den Kanzleien werden immer umfangreicher, sodass der normale Kanzleialltag ohne einen festen Stamm an Mitarbeitern nicht mehr zu bewältigen ist. Umso wichtiger ist das Halten von motivierten und engagierten Mitarbeitern geworden.
Die größte Konkurrenz der Steuerkanzleien ist dabei die freie Wirtschaft. Aufgrund der bestehenden Tarifverträge ist in aller Regel das Gehalt dort höher als in einer durchschnittlichen Steuerkanzlei – bei zusätzlichen Urlaubstagen und meist auch noch geringerer Wochenarbeitszeit. Diese drei Punkte sind die am leichtesten messbaren Parameter für Angestellte.
Unabhängig von nachfolgenden Beispielen wird das Halten von Mitarbeitern ohne eine Annäherung dieser Werte an die freie Wirtschaft schwer werden. Als Arbeitgeber ein attraktives Gesamtpaket für die Mitarbeiter zu schnüren, ist somit unabdingbar.
Neben mittlerweile gängigen Standards wie kostenlosen Getränken und Gleitzeit werden Punkte wie Wertschätzung, digitales und flexibles Arbeiten sowie attraktive Arbeitsaufträge für die Angestellten immer wichtiger.
Veraltete Technik im Arbeitsalltag beispielsweise generiert auf lange Sicht für die Kanzlei unproduktive Arbeitszeiten und schadet der Motivation der sogenannten Digital Natives. Die Bereitstellung moderner Arbeitsgeräte bzw. -software hat den zusätzlichen Nebeneffekt, dass automatisch ein facettenreicheres Arbeiten entsteht.
Aufgrund des gegebenen Fachkräftemangels ist das Auftragsvolumen für jeden einzelnen Kanzleimitarbeiter sehr hoch und die Erledigung der Aufträge in höchster Qualität ist nicht mehr lückenlos zu bewältigen. Das hohe Arbeitsaufkommen und Festhalten an sogenannten „C-Mandanten“, die vermehrt unattraktive Aufträge für die Mitarbeiter generieren, sind wahre Stimmungskiller für den Mitarbeiterstamm. Die Gründe für ein unattraktives Mandat sind sehr vielfältig – beispielsweise die Unzuverlässigkeit des Mandanten, die Art und Weise der Kommunikation, Beratungsresistenz oder mangelnde Kooperationsbereitschaft.
Inhaltlich wenig fordernde Arbeitsaufträge können die Mitarbeiter regelmäßig unterfordern und die Motivation mindern. Nicht nur wirtschaftlich sind qualitativ hochwertige Aufträge der Quantität an Aufträgen zu bevorzugen, ziehen sie doch auch ein gesteigertes Engagement der Mitarbeiter nach sich.
Die Mandantenwahl bietet eine gute Gelegenheit, die Mitarbeiter aktiv in Kanzleientscheidungen mit einzubeziehen – egal ob bei Annahme, interner Umverteilung oder Aussortierung. Dieses Vertrauen fördert und fordert Mitarbeiter gleichermaßen.
Jedoch sollten nicht nur Mandanten mit Bedacht ausgewählt werden, sondern auch mit einem erhöhten Augenmaß der Mitarbeiterstamm. Ein harmonisches Team steht und fällt mit jedem Mitarbeiter – ein fauler Apfel verdirbt oft den ganzen Korb.
Wie bereits eingangs erwähnt, lässt sich zwar der Wert eines motivierten, engagierten und glücklichen Mitarbeiterstamms nicht beziffern – er wird sich jedoch in allen Bereichen der Steuerkanzlei bemerkbar machen. Der Wert der Arbeitsstelle lässt sich für die Mitarbeiter selbstverständlich nicht nur in Schwarz und Weiß unterteilen. Im Interesse der gesamten Kanzlei liegt es, jeden Einzelnen persönlich abzuholen und die jeweiligen Wünsche und Vorstellungen individuell zu betrachten. Sobald man es als Kanzlei schafft, dem Mitarbeiter den Wert der Kanzlei aufzuzeigen und seinen eigenen Anteil und Wert daran bewusst zu machen, wird sich die Fluktuation nachhaltig verringern.
Abschließend noch ein wichtiger Hinweis: Das reine Halten von Mitarbeitern ist keine langfristige Lösung. Eine Intensivierung und Ausweitung der Ausbildungsmöglichkeiten ist für den gesamten Berufsstand unumgänglich.
Der Chef berichtet
Von Stefan Dreßler, Wirtschaftsprüfer in der Kanzlei Maier + Knott
Was kann man als Kanzlei tun, gegen Fachkräftemangel und Personalengpass? Eines ist jedenfalls sicher – Geld alleine löst das Problem nicht, denn oft liegt es nicht an der Bezahlung, wenn Mitarbeiter kündigen oder sich für andere Stellen entscheiden. Wertschätzung, Eigenverantwortlichkeit, Selbstbestimmung und sinnstiftende Arbeit sind Maßstäbe, nach denen Arbeitnehmer heutzutage ihre Arbeitsplätze auswählen. Kanzleien müssen hier aktiv werden und klar und ehrlich darstellen, wofür sie stehen.
Bei der Personalsuche ist Kreativität gefragt, Durchhaltevermögen, vor allem aber, überhaupt aktiv zu werden. Warten Sie nicht, bis die Bewerber anrufen, diese Zeiten sind vorbei. Gehen Sie raus und suchen Sie aktiv! Mit Stellenprofilen ausgewählte Zielgruppen ansprechen oder Social-Media-Kampagnen sind Ideen hierfür.
Das Wichtigste aber: Bilden Sie aus. Gehen Sie aktiv auf Schulen und Schüler zu und werben Sie für den Beruf. Nur mit ausreichend Nachwuchs im Beruf kann es später überhaupt Bewerber geben!