
Foto: Mathias Rosenthal/adobe stock
Digitalisierung nicht schon wieder
Einfach loslegen
Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren unser Leben sowie auch viele Branchen verändert. Auch in der Steuerberatungsbranche und in der Kanzlei ist diese Veränderung längst spürbar. Die Digitalisierung beeinflusst unseren Alltag, ob wir das wollen oder nicht.
Aber was bedeutet „Digitalisierung“ in vielen Steuerkanzleien? Zusätzliche Aufgaben und Herausforderungen bei Fristendruck, Fachkräftemangel und immer mehr Aufgaben, die auf die Steuerkanzleien „abgeladen“ werden.
Gerade aufgrund der Vielzahl der Aufgaben und des Fachkräftemangels können digitale Tools und Lösungen mittelfristig zu Entlastungen in den Kanzleien führen. Mit Digitalisierung geht einher, gewohnte Prozesse zu hinterfragen und neue Wege für Abläufe mit und für den Mandanten zu entwickeln und sich auf neue Arbeitsweisen einzulassen.
Der Schlüssel liegt aus meiner Sicht in der Veränderungsbereitschaft. Getreu der Redewendung „Wo ein Wille, da ein Weg“. Die Veränderungsbereitschaft der Kanzleileitung und der Mitarbeiter ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der Digitalisierung in Steuerkanzleien. Die Einführung von digitalen Technologien erfordert ein Umdenken und eine Umstellung der Arbeitsweise in Prozessen, welche sich über Jahrzehnte gefestigt und entwickelt haben. Es werden neue Kenntnisse und Fähigkeiten gefragt sowie auch eine gewisse Offenheit für Neues und den Mut etwas „Neues“ auszuprobieren, zu scheitern und weiterzumachen.
Für viele Menschen bringt Veränderung Unsicherheit mit sich. Hier gilt es Möglichkeiten zu schaffen, wie diese Unsicherheit in Sicherheit gewandelt werden kann – z. B. durch Ansprechpartner, die bei der Umsetzung unterstützen oder eine Möglichkeit des Austausches schaffen und eine Fehlerkultur etablieren. Auch sollten die Freude, der Spaß und die Leichtigkeit nicht zu kurz kommen – feiern Sie zum Beispiel kleine Erfolge.
Warum aber mit der Digitalisierung anfangen oder sie weiter ausbauen? Für wen? Für Mandanten, Mitarbeiter, oder einfach, weil es Trend ist?
Die Frage nach dem Warum sollte aus meiner Sicht jede Kanzlei für sich beantworten, um eine individuelle Digitalisierungsstrategie oder bewusste Nicht-Digitalisierungsstrategie festzulegen.
In unserer Kanzlei haben wir uns aus vielen Gründen klar für die Digitalisierung entschieden. Für uns liegen die Gründe in der Prozessvereinfachung und Einsparung oder Gewinnung von Ressourcen.
Hier zwei Beispiele:
Haben Sie schon einmal überlegt, wie oft eine Rechnung in der Kanzlei oder beim Unternehmen in die Hand genommen wird, bis diese archiviert ist?
Von Versand beim leistenden Unternehmen, über den Postzusteller bis zur Kanzlei, anschließend gelangt die Rechnung aus dem Briefkasten oder Postfach ins Unternehmen, dort wird diese ausgepackt, mit einem Eingangsstempel versehen, in eine Postmappe gelegt usw.
Durchdenkt man diesen Ablauf, kann man mit dem digitalen Weg einiges an Ressourcen einsparen – z. B. Papier und Tinte, aber auch Zeit für lästiges Auspacken und Stempeln.
Ein weiteres Beispiel sind die Ausgangsrechnungen aus Faktura-Systemen des Mandanten. Wieviel Zeit benötigen Unternehmen und Sie in den Kanzleien, um Ausgangsrechnungen der Mandanten zu verbuchen, die in Papier vorgelegt werden?
Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, elektronische Daten wieder in analoge umzuwandeln, um diese anschließend wieder als elektronische Daten zu erfassen. Schnittstellen sparen hier Zeit für die Erfassung ein. Natürlich fallen für die Einrichtung der Schnittstellen sowie Überprüfung der Schnittstellendaten auch wieder Zeiten an, aber eine gut eingerichtete Schnittstelle spart mittelfristig dennoch Zeit ein.
Wenn Sie für sich Ihre persönliche Digitalisierungsstrategie festgelegt haben, folgt die nächste Frage. Wie mit der Digitalisierung beginnen? Oder was kann weiter ausgebaut werden? Und wie finde ich den Einstieg in den Dschungel von Anwendungen und Programmen?
Meine Antwort: Fangen Sie an, sich damit zu beschäftigen. Ich vergleiche das immer mit dem ersten Tag der Ausbildung zur Steuerfachangestellten. An diesem Tag sind alle Begriffe neu und unbekannt. Doch mit der Zeit, Tag für Tag, werden Begriffe klarer und verständlicher.
Eines meiner Lieblingszitate von Simon Sinek, Autor und Berater für Führungskräfte ist: „Dream big, start small. But most of all start.“
Wir haben unsere Digitalisierungsstrategie zunächst in kleine Zwischenziele unterteilt. Diese haben wir spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch festgelegt und auch terminiert. Das hat uns geholfen dranzubleiben. Der Schlüssel liegt in der Kontinuität, wöchentlich 30 Minuten sind in einem Jahr 26 Stunden.
Als erstes standen die eigenen Prozesse innerhalb der Kanzlei an. Wir haben zunächst die Kanzleibuchführung auf „digital“ umgestellt. Für die Eingangsrechnungen haben wir eine zentrale E-Mailadresse angelegt, um den Belegfluss zu kanalisieren und den Überblick zu behalten. Wir haben ein digitales Belegarchiv mit Datev-Unternehmen online eingerichtet sowie die Abläufe rund um den Zahlungsverkehr dort eingerichtet. Als nächstes haben wir die Ausgangsrechnung von Papier- auf digitale Rechnungen umgestellt, was uns erhebliche Portokosten und Zeit (kein Kuvertieren, Frankieren) eingespart hat.
In einem weiteren Schritt haben wir uns dann unsere Mandanten angesehen. Wer nutzt welches Faktura-System und gibt es dafür Schnittstellen, die eingespielt werden können? Dann haben wir uns die Prozesse der Belege unserer Mandanten angesehen und gemeinsam mit den Mandanten den Belegablauf in den Unternehmen strukturiert. Hierbei haben wir die Branchensoftware unserer Mandanten genutzt, teilweise Datev Unternehmen online oder auch andere Anwendungen wie Lexoffice oder sevDesk. Bei der Analyse des Belegflusses bei unseren Mandanten haben wir überlegt, wie z. B. ein Fahrtenbuch elektronisch abgebildet oder Reisekosten einfacher erfasst und abgerechnet werden können.
Mit jedem Umstellungsprozess haben wir mehr und mehr Schnittstellenmöglichkeiten entdeckt sowie Anwendungseinstellungen und Möglichkeiten.
Die Digitalisierung von Prozessen ist nichts, was mal eben „schnell“ gemacht ist. Aber schon mit kleinen Schritten können Sie spürbare Effekte erzielen. Um nicht von Null zu beginnen, holen Sie sich Wissen durch externe Partner (z. B. Systempartner, Softwareanbieter) ins Boot oder bieten Ihren Mitarbeitern eine Weiterbildung, etwa zum Fachassistenten für Digitalisierung und IT-Prozesse an.
Das Wichtigste auf dem Weg der Digitalisierung ist aber der MENSCH. Mandanten, Mitarbeiter und auch die Kanzleileitung sind alles Menschen.
Die Digitalisierung und Technologien wie z. B. auch KI sind aus unserer aktuellen Welt nicht mehr wegzudenken und werden sich immer schneller weiterentwickeln. Daher ist es aus meiner Sicht unumgänglich, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, um nicht irgendwann von den Themen überrannt zu werden.
In diesem Sinne: „Dream big, start small, but most of all start!”