Insolvenzgefahr im Mittelstand steigt deutlich

Steuerkanzleien kritisieren unklare Definition der Voraussetzungen für die Beantragung von Überbrückungshilfen

Von Till Stüve, Pressestelle Datev

Seit Beginn der Corona-Krise befragt die Datev eG im Rahmen des Datev Corona-Barometers ihre Mitglieder aus dem steuerberatenden Berufsstand zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise im Mittelstand. Nachdem seit dem ersten Lockdown die Einschätzung zur Gefährdungslage der Unternehmen sowohl mit als auch ohne staatliche Hilfen bis Dezember stetig abnahm, hat sich die Lage zuletzt deutlich verändert. Bereits im Dezember war ein Zuwachs bei den trotz staatlicher Unterstützungsleistungen als insolvenzgefährdet eingestuften Unternehmen von drei auf vier Prozent zu verzeichnen – ein Wert, der sich nun auch in der aktuellen Umfrage bestätigt. Deutlicher sind die Signale ohne Einbezug der Hilfen: Dann steigt der Anteil insolvenzgefährdeter Unternehmen von 16 auf 27 Prozent (siehe Grafik 1). „Diese Zunahme von 11 Prozentpunkten bei den insolvenzgefährdeten Unternehmen macht mehr als deutlich, dass mit zunehmender Dauer des Lockdowns der Spielraum für viele immer enger wird“, so Dr. Robert Mayr, CEO der Datev auf der Pressekonferenz zum vorläufigen Jahresergebnis der Genossenschaft.

Überbrückungshilfen

In diesem veränderten Umfeld hat der steuerberatende Berufsstand in neue Rollen hineinfinden müssen: als Lotse gemeinsam mit den Mandanten durch unbekanntes Gewässer navigieren – und als Compliance Coach unternehmerische Prozesse mit kritischem Auge begleiten. Und mit der Überbrückungshilfe kam noch der staatliche Auftrag hinzu, im Antragsprozess die geltend gemachten Umsatzrückgänge und fixen Betriebskosten für ihre Mandanten zu prüfen und zu bestätigen. In fast allen teilnehmenden Kanzleien (95 Prozent) wurden bereits Überbrückungshilfen abgewickelt. Dabei beträgt der zeitliche Aufwand für die Bearbeitung und Beantragung der Hilfen im Schnitt rund fünf Stunden pro Fall. 33 Prozent der Kanzleien geben an, dass sie die Bearbeitung nicht kostendeckend abwickeln können, trotz Abzugs- bzw. Förderfähigkeit der Dienstleistung. Dieser Anteil stieg im Laufe der Zeit an, weil für die Kanzleien das Überleben der Mandanten als Kundenstamm im Vordergrund steht. Der steuerberatende Berufsstand unterstützt dementsprechend pragmatisch und mit großem Engagement seine mittelständischen Mandanten und leistet somit einen wertvollen Beitrag zur Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens vieler Unternehmen – innerhalb des Machbaren.

Die Signale aus dem Berufsstand der Steuerberatung machen in diesem Kontext deutlich, dass die Herausforderungen nicht nur auf die Geschwindigkeit bei der Bearbeitung und Auszahlung der Hilfeleistungen begrenzt sind, sondern dass bereits im Antragsverfahren Defizite verankert sind, die für betroffene Unternehmen erhebliche Folgen haben können. Die Kanzleien stellen fest, dass sich die Qualität und das fachliche Niveau der durch die öffentlichen Stellen bereitgestellten Informationen zur Beantragung und Bearbeitung der Überbrückungshilfen deutlich verringert hat. So kritisieren mittlerweile 50 Prozent der Kanzleien, dass die Voraussetzungen zur Ermittlung und Beantragung der Überbrückungshilfen nicht eindeutig definiert sind – als dies im September 2020 zuletzt abgefragt wurde, kritisierten dies lediglich 19 Prozent. Auch die Servicequalität der Corona-Hotline der öffentlichen Stellen wird bei Rückfragen zur Antragsbearbeitung kritisiert.

Neben der beanstandeten mangelnden Eindeutigkeit der Antragsvoraussetzungen üben die Kanzleien auch Kritik an der aktuellen Ausgestaltung der staatlichen Hilfen (siehe Grafik 2). Als Hauptgrund dafür, dass Unternehmen trotz staatlicher Hilfen die Krise nicht überstehen könnten, geben 75 Prozent der Kanzleien an, dass sich die Höhe der Hilfen an falschen Kriterien bemisst. Außerdem beanstanden sie die nicht ausreichende Höhe der Hilfsleistungen (62 Prozent) und die verzögerte Auszahlung (57 Prozent).

Situation in den Kanzleien

Diese Situation führt dazu, dass immer weniger Kanzleien die Anträge auf Überbrückungshilfen problemlos bearbeiten können. Konnten dies im September noch 29 Prozent teilweise oder ganz bestätigen, ist der Anteil der Kanzleien, der eine problemlose Antragsbearbeitung gewährleisten kann, nun auf 13 Prozent zurückgegangen. Das zeigt einerseits die aktuelle Belastung des Berufsstands durch die Corona-Situation, aber auch die große Leistung, die der Berufsstand für seine Mandanten erbringt. Dies führt allerdings auch zu einem gestiegenen Arbeitsvolumen. Zwar gelingt es bislang den Kanzleien, die ja auch von den Corona-Auswirkungen getroffen werden, ihre Leistungsfähigkeit durchschnittlich auf einem Niveau von 89 Prozent gegenüber der Vor-Corona-Zeit zu halten. Aber dennoch hat sich der Anteil der Kanzleien, die ihre Leistungen ganz oder weitgehend fristgerecht erbringen können, im Vergleich zur Dezember-Umfrage nochmals von 40 Prozent auf 33 Prozent verringert. Die Zahlen haben sich im Verlauf der Pandemie sukzessive verschlechtert, insbesondere seit dem Konjunkturpaket II im Juli 2020, als der Wert bei 64 Prozent lag.

Information zur Studie

Mit dem Corona-Barometer befragt die Datev eG ihre Mitglieder regelmäßig zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise im Mittelstand. Im März 2021 wurde die neunte Befragung durchgeführt. Die Befragung findet mittels Online-Fragebogen statt. Um die Belastung durch die turnusmäßigen Umfragewellen für die Mitglieder zu begrenzen, wurden drei Gruppen gebildet, die nacheinander iterierend online befragt werden, sodass jeder Teilnehmer nur jedes dritte Mal beteiligt ist. Dennoch bzw. gerade dadurch kann ein sehr fundiertes und repräsentatives Bild gewonnen werden. Von den pro Gruppe 7.500 befragten Mitgliedern haben regelmäßig um die 6 % teilgenommen, was jeweils mehr als 400 Kanzleien entspricht und im Vergleich zu ähnlichen Umfragen als ein sehr gutes Feedback bewertet werden kann.

Ausgewählte Ergebnisse werden unter www.datev.de/corona-barometer veröffentlicht.

  • Grafik 2: Kritik an der aktuellen Ausgestaltung der staatlichen Hilfen (Grafik: Datev eG)

  • Grafik 1: Anteil insolvenzgefährdeter Unternehmen (Grafik: Datev eG)