EFAA-Präsident Bodo Richardt

EFAA-Präsident Bodo Richardt

Interessenvertretung ist anspruchsvoll und personalintensiv

Die EFAA (European Federation of Accountants and Auditors for SMEs) ist die europäische Berufsorganisation der Abschlussprüfer und Bilanzaufsteller, die vorwiegend kleine und mittlere Unternehmen als Mandanten betreuen. Ihr gehören Berufsorganisationen aus zwölf Ländern an. Im Interview mit dem LSWB-Magazin erklärt EFAA-Präsident Bodo Richardt, welche Themen den Verband momentan beschäftigen und warum die Interessenvertretung für den Berufsstand auf europäischer Ebene so wichtig ist.

LSWB-Magazin: Was sind die aktuellen Themen, die Sie und die EFAA beschäftigen?
Bodo Richardt: Mit der Verabschiedung der neuen EU-Bilanzierungsrichtlinie und des neuen europäischen Rechtsrahmens für die Abschlussprüfung sind zwei große Projekte auf europäischer Ebene abgeschlossen worden. Durch ihre Transformation in deutsches Recht haben sie aber auch signifikante Auswirkungen auf die berufliche Praxis in Deutschland. Wir sind mit der EFAA sowohl auf der europäischen Ebene tätig und begleiten die europäischen Gesetzgebungsprozesse, verfolgen danach aber auch zusammen mit unseren Mitgliedsorganisationen die Umsetzung in nationales Recht.

Zu der Bilanzierungsrichtlinie haben wir im vergangenen Jahr eine Untersuchung über die umfangreichen Mitgliedsstaatenwahlrechte in der Richtlinie veröffentlicht. In unserem zusammenfassenden Bericht geben wir konkrete Hinweise, wie die Transformation in das jeweilige nationale Recht im Sinne einer guten Rechnungslegung durchgeführt werden kann. Die Berücksichtigung der Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen spielt dabei eine besondere Rolle. Diese Untersuchung und unsere Empfehlungen sind bei Gesetzgebern und Standardsetzern auf großes Interesse gestoßen.

Die EFAA hat weiterhin das International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) und den globalen Dachverband International Federation of Accountants (IFAC) bei der Vorbereitung zweier für den Berufsstand bedeutender Projekte unterstützt: Zum einen wird der International Standard on Quality Control ISQC 1 überarbeitet, der die Anforderungen an das interne  Qualitätssicherungssystem von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beschreibt. Zum anderen wird der „Code of Ethics“ überarbeitet, der für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater weltweit der meistbeachtete Standard für die ethischen Grundsätze ihrer beruflichen Tätigkeit ist.

Ein weiteres Beispiel für unsere aktuellen Arbeitsschwerpunkte ist die Online-Umfrage „Accountants and Auditors under Pressure“, die wir gerade in Verbindung mit dem polnischen Abschlussprüferverband SKwP durchführen und die auch wieder weltweites Interesse findet. Ziel der Untersuchung ist es, Erfahrungswerte zusammenzutragen, in welchen Situationen Abschlussprüfer und Rechnungsleger am Arbeitsplatz unter Druck geraten oder unter Druck gesetzt werden.

LSWB-Magazin: Inwiefern haben kleine und mittelständisch geprägte Kanzleien andere Interessen als ihre großen Wettbewerber?
Richardt: Das Geschäftsmodell von kleinen und mittelständisch geprägten Kanzleien ist grundlegend anders. Ihre überwiegend mittelständischen und kleineren Mandanten  verlangen häufig einen ganzheitlichen Beratungsansatz, der über Fragen der Rechnungslegung und der steuerlichen Beratung hinausgeht. Diese Mandanten möchten frühzeitig und umfassend mögliche Auswirkungen ihrer Entscheidungen kennen, haben selbst oft aber nicht die dafür notwendigen spezialisierten Ressourcen, wie dies bei großen Unternehmen der Fall ist. Sie erwarten deshalb von ihren Beratern ein breit gefächertes Beratungsspektrum, ohne aber mit zu vielen verschiedenen Spezialisten sprechen zu wollen. Der Berater einer mittelständisch geprägten Kanzlei muss daher in besonderem Maße die Spezialkompetenzen koordinieren und seinem Mandanten ergebnisorientiert vermitteln können.

Hinzu kommt, dass mittelständische Berater meist eine sehr persönliche und langfristige Beziehung zu ihren Mandanten pflegen und daher die Bedürfnisse der Unternehmer  sehr gut kennen und sie entsprechend beraten können. Die umfangreiche Beratung bei der Nachfolgeplanung oder auch die Planung des Verkaufs eines Unternehmens sind hierfür gute Beispiele. Die Beratung von Familienunternehmen ist ein weiteres wichtiges Beispiel. Da die Familien in der Regel im Mittelpunkt dieser Unternehmen stehen ergeben sich daraus zusätzliche komplexe Anforderungen für Unternehmensführung und Beratung. Die soziale Kompetenz der mittelständischen Berater, die ja selber Unternehmer sind, ermöglicht in Verbindung mit der guten Kenntnis des Mandanten und der Koordinierung verschiedener fachlicher Kompetenzen eine Schlüsselstellung bei der Beratung von Familienunternehmen.

LSWB-Magazin: Warum ist es für Sie notwendig, auf europäischer Ebene tätig zu sein, wenn die Gesetze doch in Deutschland verabschiedet werden?
Richardt: Bei genauer Betrachtung ist für unsere berufliche Tätigkeit die Bedeutung der nationalen Gesetzgeber und Standardsetzer schon heute sehr gering. Die nationalen Bilanzierungsvorschriften für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen zum Beispiel schon seit vielen Jahren den europäischen Bilanzrichtlinien entsprechen. Ein Einfluss kann also nur noch über die eingeräumten Mitgliedsstaatenwahlrechte ausgeübt werden, oder aber - rechtzeitig - direkt auf die Verabschiedung der europäischen Normen. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen gelten die internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS, die durch das International Accounting Standards Board (IASB) in London verabschiedet werden. Nach Beurteilung durch die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) mit Sitz in Brüssel, und gegebenenfalls nach Anpassung, werden sie in der EU übernommen und gelten damit unmittelbar auch in Deutschland. Eine Beeinflussung ist wiederum nur direkt bei dem IASB möglich oder durch Engagement bei der EFRAG. Ich werde gleich noch genauer darauf eingehen, wie die EFAA hier tätig wird.

Die internationalen Prüfungsstandards ISA werden bereits seit geraumer Zeit vom unabhängigen International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) mit Sitz in New York verabschiedet. Sie konnten bisher noch in gewissen Maße national interpretiert werden. Spätestens aber mit Inkrafttreten der EU-Abschlussprüferverordnung Mitte 2016 werden die internationalen Prüfungsstandards ISA in Deutschland unmittelbar anwendbar.

Selbst das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer wird direkt durch Vorgaben aus Brüssel beeinflusst. Und auch das Berufsrecht der Steuerberater muss der Dienstleistungs- und Berufsqualifikationsrichtlinie entsprechen.

LSWB-Magazin: Wie vertritt die EFAA unsere Interessen und wie wird dies finanziert?
Richardt: Wie wir schon besprochen haben, ist die EFAA auf der fachlichen Ebene bei Gesetzgebungs- und Standardsetzungsverfahren mit technischen Stellungnahmen und Eingaben aktiv. Genauso beteiligen wir uns an Anhörungen und Workshops der EU-Kommission. Der wesentlich aufwändigere Bereich ist aber die Arbeit vor den eigentlichen Rechtssetzungsakten. Um eine überzeugende, nachhaltige und abgestimmte Argumentationsbasis zu haben, müssen wir die Ansichten des jeweiligen Berufsstands in unseren Mitgliedsländern zuerst sammeln, dann auswerten und anschließend in Form von Stellungnahmen oder Berichten einbringen. Wie wir eben aber bereits gesehen haben, ist dazu die Mitwirkung der EFAA in diversen Arbeits- und Expertengruppen der Europäischen Kommission notwendig. Darüber hinaus ist, unter anderem, die EFAA Mitglied der EFRAG in Brüssel sowie der hochrangigen Beratungsgremien, wie zB in dem IASB in London und den so genannten Consultative Advisory Groups (CAG) des IAASB sowie des International Accounting Education Boards (IAESB) und des International Ethics Standards Board for Accountants (IESBA) in New York.

Sie sehen jetzt schon, wie anspruchsvoll und personalintensiv die Interessenvertretung unseres Berufsstandes ist. Die technischen Stellungnahmen, die die EFAA abgibt, sollen auf hohem fachlichen Niveau ein ausgewogenes Bild der Ansichten und der berechtigten Interessen ihrer Mitgliedsorganisationen vermitteln. Das alles muss auch noch schriftlich und mündlich in sehr gutem Englisch vorgetragen werden. Schulenglisch hilft da nicht weiter, wenn Sie englische Muttersprachler überzeugen wollen. Wir können auf ausgewiesene Experten unserer Mitgliedsorganisationen zugreifen, die wissenschaftliche Grundlagen und vor allem auch praktische Erfahrungen aus den Mitgliedsorganisationen beisteuern können und sind dafür auch sehr dankbar. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass die klassische Interessenvertretung und die Mitarbeit in Arbeits- und Expertengruppen nicht in Deutschland, sondern hauptsächlich im europäischen und außereuropäischen Ausland stattfindet, häufig in Brüssel. Dies erfordert nicht nur einen erheblichen Koordinationsaufwand, sondern auch eine hohe international vermittelbare Kompetenz und vor allem ein sehr hohes Engagement der jeweiligen Person. Von ehrenamtlichen Personen allein lässt sich dieses enorme Arbeitspensum nicht bewältigen, nicht zuletzt wegen der erheblichen Reisezeiten. Deshalb benötigen wir neben personellen auch hinreichende finanzielle Ressourcen.

Interessanterweise kennen oft gerade die kleineren und mittleren Kanzleien nicht die Zusammenhänge, die ich gerade dargestellt habe. Und so sind ihre Vertreter der Ansicht, dass die internationale Interessenvertretung eigentlich nicht notwendig ist und nur etwas für große Beratungsgesellschaften sei. Genau diese großen Beratungsgesellschaften betreiben auch einen enormen Aufwand, um Verfahren, Ergebnisse und Personen zu beeinflussen. Die besondere Bedeutung einer Interessensvertretung der mittelständischen Kanzleien liegt aber gerade darin, dass sich ihre Interessen und Ziele von denen großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften deutlich unterscheiden. Es ist daher notwendig, dass die mittelständischen Kanzleien ihre Interessen selbständig und gemeinsam formulieren, vertreten und durchsetzen. Dies erfordert auch eine eigenständige, von den Interessen anderer etablierter Gesellschaften unabhängige und durchsetzungsstarke Organisation. Und genau dafür lohnt es sich, dass mittelständische und kleinere Kanzleien die notwendigen Ressourcen bereit stellen, durch ausreichende Mitgliedsbeiträge und durch die Mitarbeit von geeigneten Experten.

LSWB-Magazin: Herr Richardt, vielen Dank für das Interview

Artiklecode: Y5207