Foto: NDABCREATIVITY/adobe stock

Foto: NDABCREATIVITY/adobe stock

Ist Ihre Kanzlei fit für 2023?

Effizient und erfolgreich trotz Dauerbelastung

Von Julia Kunz, Master of cognitive neuroscience (aon), LSWB-Referentin www.hashtag-brain.de

2022 war für die Steuerkanzleien ein sehr herausforderndes Jahr. Ob 2023 weniger stressig und belastend sein wird, wissen wir nicht. Erfreulicherweise brauchen Sie nicht untätig abzuwarten, sondern Sie können Ihren Erfolg und den Ihrer Mitarbeiter selbst in die Hand nehmen – indem Sie Ihr Team und Ihre Kanzlei für die Zukunft fit machen.

Lassen Sie uns das Thema auf drei Ebenen angehen: auf organisatorischer, kollektiver und nicht zuletzt der individuellen Ebene. Für jede Ebene geben wir konkrete, direkt umsetzbare Tipps für die Praxis.

Die organisatorische Ebene: Abläufe in der Kanzlei

Oft wird sehr viel Zeit damit vertan, dass Abläufe nicht transparent und klar kommuniziert sind. Gibt es bei Ihnen in der Kanzlei in dieser Hinsicht Aufholbedarf? Sind alle auf dem gleichen Kenntnisstand? Haben neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Chance, die Abläufe problemlos zu erkennen und zu erfahren?

Das wäre ein gutes Thema für Gespräche mit den Mitarbeitern im Team. Dabei können Fragen geklärt werden, wie beispielsweise: Wie legen wir einheitlich Unterlagen richtig ab, analog und digital? Wie gehen wir mit dem Telefondienst um, wenn Mitarbeiter in Urlaub sind, ausfallen oder Pause machen?

Aber auch Fragen wie: Haben die Mitarbeiter die passenden Arbeitsmittel? Das beginnt mit einem ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz samt Lichtgestaltung und geht über geeignete Hardware bis zur Software.

Ja, das kann eventuell Geld kosten. Doch die Rechnung ist schnell gemacht: Zum einen verbessert sich die Effizienz der Arbeitsabläufe, zum anderen auch die Zufriedenheit und damit wirkt es sich auf unser Gehirn aus. Es bewertet jede Aktion in unserem Leben spontan emotional. Und wenn sich die Mitarbeiter jeden Tag über einen unbequemen Stuhl oder komplizierte Prozesse ärgern, hinterlässt das Spuren im Gehirn und beeinflusst die Motivation.

Unser limbisches System, das emotionale Zentrum im Gehirn, bewertet jeden Vorgang. Das geschieht ganz automatisch, bei sowohl emotionalen positiven Ereignissen, aber auch, wenn Sie etwas konzentriert und angestrengt tun, z. B. Unstimmigkeiten in Buchungen suchen und den Fehler nicht finden.

Emotional negative Bewertungen bedeuten Stress für das Gehirn und weniger Dopamin. Im Kanzleialltag kann das bedeuten, dass Ihre Mitarbeiter bei stetigem Stressempfinden die Konzentration verlieren, mehr Fehler machen und längerfristig die Motivation sinkt.

Die kollektive Ebene: Das Team

Damit ein Team auch in anspruchsvollen Zeiten gut funktioniert, kommt es vor allem auf eines an: Eine gute und offene Kommunikation. Oft leichter gesagt als getan, deshalb hier ein paar Impulse für Sie als Kanzleiinhaber oder -inhaberin:
Nehmen Sie sich bewusst Zeit für Ihre Arbeit als Führungskraft. Natürlich sind Ihre Mandanten und deren Anliegen wichtig. Doch die Zeit, die Sie in die Führung investieren, ist unter dem Strich gewonnene Zeit, wenn sie diesen Zustand erreichen: Ihr Team versteht sich als ein Team, arbeitet Hand in Hand im Sinne der Kanzlei, tauscht wichtige Informationen aus und ist auf dem aktuellen Stand. Es werden positive Ereignisse besprochen, oder aber Konflikte werden offen diskutiert und beseitigt, bevor sie zu starken Spannungen führen oder gar
in Kündigungen münden.

Sprechen Sie Ihre Mitarbeiter gezielt an, hören Sie gut zu. Wenn etwas anliegt: Nehmen Sie sich die Zeit für ein Vieraugengespräch in ruhiger und störungsfreier Umgebung. Das zeigt Ihre Ernsthaftigkeit und Wertschätzung. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass Sie die Anliegen wahrnehmen. Das kann ebenso eine Einladung zum Mittagessen sein – in diesem Fall ist die Pizzalieferung auch gehirntechnisch erlaubt, da sie positive Emotionen freisetzt. Idealerweise findet ein gemeinsames Mittagessen auf Ihre Kosten immer wieder mal statt.

Nehmen Sie sich bei Teammeetings Zeit für die Anliegen Ihres Teams. Das kann ein eigener Agendapunkt sein, bei dem die Themen auf den Tisch kommen. Zeigen Sie, dass Sie Punkte wie „Ich habe zu viel Arbeit/Überstunden etc.“ ernst nehmen. Lassen Sie das Team gemeinsam Lösungen finden. Zeigen Sie, was Sie tun, um neue Mitarbeiter zu finden oder wie Sie die Mitarbeiter anderweitig entlasten wollen. Selbst, wenn das nicht sofort passiert, zeigt es Ihr Bemühen und das ist ein positives Signal.

Individuelle Ebene: Jeder ist für sich selbst verantwortlich

Die Mitarbeiter können aber auch selbst etwas für sich tun. Machen Sie Ihr Gehirn fit für stressige Zeiten. Die Basis sind die drei Säulen für ein funktionierendes Gehirn: Bewegung, Schlaf sowie gesunde Ernährung.

  • „Bewegung“ bedeutet: Bringen Sie Ihren Kreislauf in Schwung. Nehmen Sie die Treppen anstelle des Fahrstuhls. Gehen Sie kleinere Strecken zu Fuß und lassen Sie das Auto stehen. Sie sollten leicht ins Schwitzen kommen. Die Empfehlung lautet, sich dreimal in der Woche für ca. 45 Minuten zu bewegen. Ihr Gehirn dankt es Ihnen mit mehr Gehirnzellen, besseren Verknüpfungen und elastischeren Gefäßwänden sowie einer steigenden Fitness.
  • „Schlaf“ bedeutet: Sorgen Sie für ausreichend erholsamen Schlaf. Die optimale Schlafdauer liegt bei sieben bis neun Stunden. Im Schlaf regeneriert sich Ihr Körper, Ihr Gehirn sortiert und räumt auf. Schlafdefizite und -störungen wirken sich unmittelbar auf körperliche und Gedächtnisleistungen aus.
  • „Ernährung“: Alles, was Sie über gesunde Ernährung wissen, nützt nicht nur Ihrem Körper, sondern auch Ihrem Gehirn. Gönnen Sie sich Obst, Gemüse und ausreichend Eiweiß sowie gute Fette. Genau in dieser Reihenfolge. Das sind Schmiermittel für Ihr Gehirn – und ab und zu darf es auch ein Stück leckere Schokolade für die Seele sein.

Sie merken schon bald, dass Sie motivierter sind, konzentrierter arbeiten können und belastbarer werden in stressigen Zeiten.

Fazit

Beginnen Sie mit dem wichtigsten, was Sie Ihren Mitarbeitern geben können: Zeit. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Führungsarbeit. Wenden Sie sich den Mitarbeitern gleichermaßen zu, wie Sie es auch bei Ihren Mandantinnen und Mandanten tun. Dann wird am Ende der Saldo ein positiver sein und Ihr Team wird es Ihnen mit fehlerfreier, loyaler und gut gelaunter Mitarbeit danken. Und das spüren am Ende auch Ihre Mandanten.

Tipps für Führungskräfte

Neurowissenschaftlich gesehen sind wir ein kompliziertes, neuronales Netzwerk. Jede Handlung und jede Entscheidung ist das Ergebnis dieses individuellen Netzwerkes.

Dies zu erkennen und bei anderen anzuerkennen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Führung und Motivation. 

Für die Praxis bedeutet dies: Die eigene Wahrnehmung und Meinung steht nie für die einzige Wahrheit und Wirklichkeit. Vor allem in Meetings und Gesprächen ist diese Erkenntnis sehr wichtig und macht deutlich, warum Diskussionen manchmal ergebnislos verlaufen können. Was aber ist, wenn ich als Führungskraft die Meinung, den Standpunkt oder das Verhalten eines Mitarbeiters nicht zulassen kann und eine Änderung erreichen möchte? 

Die Chance liegt in der Plastizität des Gehirns. Entgegen ursprünglichen Annahmen ist das Gehirn niemals zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig entwickelt, sondern kann sich ein Leben lang weiterentwickeln und verändern. Diese Fähigkeit wird weitestgehend unterschätzt. 

Der Normalfall ist, dass Mitarbeiter eingestellt, geführt und motiviert werden auf der Basis dessen, was und wie sie sind. Viel wichtiger wäre es, danach zu fragen, was aus diesen Mitarbeitern einmal werden könnte, wenn man ihnen die Chance gäbe, sich zu entwickeln, neue Erfahrungen zu machen und zu lernen. ​

 Führen bedeutet daher:

  • Die Einzigartigkeit jedes Mitarbeiters zu akzeptieren, die individuellen Potenziale zu entdecken, zu fördern und auszubauen.
  • Als Führungskraft die Vorbildfunktion erfüllen.

Wenn diese Voraussetzungen gewährleistet sind, werden die Instrumente und Maßnahmen, mit denen wir die Gehirnsysteme aktivieren können, ihren Zweck erfüllen.