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Kanzlei verkauft Vertrag unterschrieben!
Alles im Lot? Mitnichten
Vielleicht gehen Sie in dieser Phase Ihres Lebens mit einem lachenden und einem weinenden Auge durch Ihre Kanzlei: Es ist vollbracht – ein erfolgreiches Leben als Kanzlei-Inhaber liegt hinter Ihnen. Jetzt ist es an der Zeit, den Abschied einzuleiten und die Früchte des Erfolgs tatsächlich zu genießen.
Sie gehen davon aus, dass die neue Kanzleileitung Ihr Werk in Ihrem Sinne weiterführt, Ihre Mitarbeiter übernimmt und zu ihnen ein genauso gutes Verhältnis pflegen wird, wie Sie es taten. Das ist für Sie das mindeste, was Sie für Ihr Team tun können. Alles gut also, wie man heute zu sagen pflegt?
Seltsam nur, dass die Begeisterung bei den Mitarbeitern nicht sonderlich groß ist und Sie davon ausgehen, dass es vielleicht mit Ihrem Ausscheiden zu tun hat.
Was hier durchaus passieren kann:
Die Stimmung ist irgendwie gedrückt, es wird mehr gemauschelt und Sie können diese Haltung nicht richtig nachvollziehen, denn Sie handeln ja mit der Suche nach einem geeigneten Nachfolger ganz im Sinne Ihres Teams.
In dieser Phase sind folgende Überlegungen wichtig:
- Denken Sie daran, dass Mitarbeiter sich schon lange vor dem Verkauf Gedanken machen, was wohl werden wird, wenn Sie sich zurückziehen wollen, insbesondere, wenn Sie bereits das übliche Rentenalter erreicht haben oder davorstehen. Auch wenn es vor Ihnen nicht offen angesprochen wird.
- Meist gibt es Spekulationen darüber, ob jemand aus den eigenen Reihen in Ihre Fußstapfen treten könnte. Gibt es verstärkt Gespräche mit den engsten Vertrauten? Häufen sich die Einzeltermine? Ändert sich das Verhalten von diesen Kollegen etc.? Auch darauf wird geachtet.
- Mitarbeiter, die schon vermuten, dass es einen Wechsel geben oder die Kanzlei aufgelöst wird, fangen an, die Fühler auszustrecken und sich vorsichtshalber auf dem Markt umzusehen. Mitarbeiter, die selbst vor dem Berufsende stehen, rechnen sich aus, wie lange sie noch aktiv sein wollen und ob es für sie eine Perspektive gibt.
- Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern. Ob Sie es wollen oder nicht: Irgendwann kommen Gerüchte über den Kanzleiverkauf auf, über den möglichen Käufer, Zeitpunkt etc. Der Flurfunk wird blühen, das können Sie gar nicht vermeiden.
- Hier hilft nur die Flucht nach vorn: Kommunizieren Sie offen mit Ihrem Team. Geben Sie stets zum frühestmöglichen Zeitpunkt Ihre Absichten weiter. Sprechen Sie über Informationen, die schon für die Öffentlichkeit und Mandanten gedacht sind. Versuchen Sie so, möglichen Gerüchten den Nährboden zu entziehen. Seien Sie ehrlich und erklären Sie bei Fragen, die Sie noch nicht beantworten möchten, genau das. Treten Sie falschen Gerüchten entgegen. In dieser Zeit ist es extrem wichtig, regelmäßige – auch kurze – Teammeetings abzuhalten, in denen Ihre Mitarbeiter die neuesten Informationen bekommen und Fragen stellen bzw. Befürchtungen loswerden können.
- Achten Sie auf das Sender-Empfänger-Dilemma. Nicht alles, was Sie sagen, kommt so an, wie Sie es meinen. Bleiben Sie auch auf informellem Weg in Kontakt mit Ihren Mitarbeitern. Sprechen Sie Missverständnisse an, sobald Sie davon hören. Neben dem Kanzleiverkauf sollte jetzt die Kommunikation mit Ihrem Team oberste Priorität haben. Nehmen Sie Ängste und Befürchtungen ernst. Unter Ihren Mitarbeitern gibt es die unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Manche sind jetzt extrem besorgt und haben Angst um ihre Zukunft. Andere nehmen die bevorstehenden Neuigkeiten als großes Abenteuer und freuen sich drauf, dass sich bald einiges ändern wird. Erklären Sie, wie es um die Übernahme von Mitarbeitern steht. Wenn möglich, laden Sie den neuen Kanzlei-Inhaber ein, damit die Mitarbeiter sich einen persönlichen Eindruck von der Person machen können.
- Kommunizieren Sie die Form Ihres Ausstiegs: Sind Sie noch als Ansprechpartner verfügbar? Gibt es einen fließenden Übergang? Sind Sie von einem Zeitpunkt X einfach aus der Kanzlei raus? Wird jemand aus den eigenen Reihen den Übergang und die Kanzleigepflogenheiten weitergeben?
- Aus den Neurowissenschaften wissen wir, dass unsere Persönlichkeit aus vier verschiedenen Ebenen besteht. Die drei sogenannten unteren Ebenen regeln zum einen unsere körperlichen Empfindungen, zum zweiten unsere Emotionen und zum dritten unser erworbenes Wertesystem und unsere Moralvorstellungen. Erst dann werden unser Verstand, unsere Intelligenz und die Fähigkeit zur Problemlösung aktiv.
- Das bedeutet, dass diese unteren Ebenen einen unglaublichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und Filter haben. Daher kommen vernünftige Argumente nicht immer entsprechend an. Nehmen Sie es ernst, wenn Ihre Mitarbeitenden trotz guter Argumente irrational reagieren. Wenn sie Angst oder Unsicherheit zeigen, obwohl es dazu nach rationaler Ansicht keine Gründe gibt. Zeigen Sie Verständnis für diese Reaktionen und lassen Sie den Mitarbeitenden Zeit, ihre Ängste und Befürchtungen wahrzunehmen und auszusprechen.
Was tun?
- Bleiben Sie im Kontakt zu Ihrem Team.
- Halten Sie regelmäßige Info-Meetings ab. Das können auch kurze Meetings sein, wenn es wenig Neues gibt. Geben Sie Gelegenheit, Fragen zu stellen und Befürchtungen loszuwerden.
- Richten Sie ein analoges oder digitales schwarzes Brett ein. Dort hängen Sie die neuesten Informationen aus.
- Zeigen Sie mehr denn je Ihre Wertschätzung für Ihr Team und machen Sie deutlich, dass Sie nicht an „irgendwen“ verkaufen, sondern für Ihr Team mitdenken. Das können bewusste informelle Gespräche sein, ein gemeinsames Mittagessen oder bewusste Anerkennung oder Lob.
- Öffnen Sie die Tür für individuelle Anliegen. Sprechen Sie mit einzelnen Mitarbeitern und haben Sie ein Ohr für deren Sorgen und Gedanken.
- Halten Sie sich mit Zusagen zurück, die Sie nicht sicher geben können. Erklären Sie, dass es immer auch ungewisse Entwicklungen gibt, die Sie nicht beeinflussen können.
So geben Sie Ihrem Team das gute Gefühl, dass Sie für Ihr Team mitdenken und alles dafür tun, damit die Kanzlei in Zukunft gut weitergeführt werden kann. Das wiederum stärkt Ihre Mitarbeiter, lässt sie motiviert und optimistisch in die Zukunft blicken und macht Ihrem Nachfolger den Einstieg leichter – für Unterstützung stehen wir gerne zur Verfügung!