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Kanzleiverkauf
Unterschätzter Kaufpreisfaktor Außenstände
Außenstände sind ein leidiges Thema, nicht nur generell, sondern auch ganz besonders im Hinblick auf eine geplante Veräußerung zur Regelung der Nachfolge. Denn zum einen werden die Forderungsbestände normalerweise nicht vergütet und schmälern auf diese Weise den Erlös, zum anderen drücken sie den Kaufpreis auch noch mittelbar durch eine unklare Liquiditätsprognose. Abhilfe schafft nur ein komplett automatisiertes Mahnwesen.
Viele Empfehlungen zum Kanzleiverkauf und zur Preisfindung stützen sich hauptsächlich auf Quoten zur Art der Umsätze, Größenanteile einzelner Mandate oder die Altersstruktur. Die Basis dieser Analysen sind in der Regel vergangene Jahresumsätze. Während diese Faktoren zweifelsohne ihren berechtigten Stellenwert haben, wird der Blick auf die tatsächlichen, aktuellen Zahlungsströme dabei oft vernachlässigt.
Minus Faktor 0,125
Wenn im Rahmen des Verkaufsprozesses über Kaufpreisfaktoren zwischen 0,8 und 1,2 des durchschnittlichen Jahresumsatzes hart verhandelt wird, dann wird mit Blick auf die durchschnittliche Höhe der Außenstände klar, welche Dimension hier eigentlich vergessen wird: Die Außenstände betragen im Durchschnitt etwa 1,5 Monatsumsätze. Da sie in der Praxis am Ende nie mit vergütet werden, korrigieren sie vergleichsweise geräuschlos den mühsam erhandelten Faktor realiter direkt um 0,125 nach unten.
Hinzu kommt, dass die offenen Posten bereits in der Verhandlung durchaus auch insofern ein Thema sein können, da der potenzielle Käufer seine künftige Liquidität bei entsprechender Höhe schwerer planen kann und dies gegebenenfalls auch bei der Finanzierung verargumentieren muss. Besonders schwierig sind viele individuelle Verfahren und Modalitäten mit einzelnen Mandanten. Derartige Aspekte schwächen generell in Verhandlungen die Position des Verkäufers, drücken letztlich bestenfalls auf den Kaufpreis oder führen im schlimmsten Fall sogar dazu, dass der Verkauf nicht zustande kommt.
Modernes Forderungsmanagement
Deshalb ist neben der Frage nach dem Digitalisierungsgrad der Kanzlei auch die nach dem Professionalisierungsgrad des Forderungsmanagements entscheidend. Ebenso wie der Medizinbereich verfügt auch die Steuerberatungsbranche dazu inzwischen über spezialisierte Anbieter, die Verrechnungsstellen, die nicht nur das gesamte Forderungsmanagement, sondern auch die unmittelbare Honorarauszahlung gewährleisten.
Voraussetzung dafür, dass eine solche Lösung den größtmöglichen Vorteil während der Veräußerungsphase bietet, ist die Möglichkeit zur schnellen Rechnungseinreichung über Schnittstellen zur Kanzleisoftware, ein individualisierbarer Rechnungsversand, die Zahlungskontrolle und eine werktägliche Auszahlung. Um im Veräußerungsprozess tatsächlich Wirkung zu entfalten, sollte die Zusammenarbeit mit der Verrechnungsstelle allerdings bereits etabliert sein.
Nur bonitätsgeprüfte Mandate
Nachfolger haben dadurch dann den besonderen Vorteil, dass sie ein komplett automatisiertes Mahnwesen übernehmen und ihre künftige Liquidität wesentlich besser planen können. Außerdem können sich Käufer aber auch auf die Bonität der übernommenen Mandanten verlassen, da diese ja über die Verrechnungsstelle erfolgt ist. Angesichts der Tatsache, dass etwa jede zweihundertste Forderung dennoch nicht beglichen wird, ist auch die Übernahme des Insolvenz- und Kostenrisikos für eingereichte und vorfinanzierte Rechnungen bei bonitätsbedingten Ausfällen ein zusätzlich relevanter Aspekt.
Durch abgesicherte künftige Zahlungsströme reduziert sich das Risiko seitens des Käufers bereits ganz erheblich. Da auch die Übertragung bei einer etablierten Kooperation mit einer Verrechnungsstelle in der Wahrnehmung der Mandanten in finanzieller Hinsicht absolut geräuschlos verläuft, fällt zudem ein potenzieller Mandatskündigungsgrund durch Unstimmigkeiten bei der Rechnungsstellung weg.
Aus diesen Vorteilen, die Kanzleien aus einem professionalisierten Forderungsmanagement in Zusammenarbeit mit einer Verrechnungsstelle ziehen, lassen sich gute Argumente für den Verkauf ableiten. Das ist umso bedeutsamer, als Kaufinteressenten inzwischen rarer werden und genauer prüfen, ob sie eine Kanzlei kaufen oder nicht. Das gilt sowohl für Existenzgründer als auch für bestehende Kanzleien auf Wachstumskurs.