Foto: Alexander Limbach/adobe stock

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StaRUG: Präventive Restrukturierungsmaßnahmen

Neue Handlungsmöglichkeiten und -pflichten für Steuerberater

Von Stefan Dreßler, Wirtschaftsprüfer, LSWB-Vorstand und Vorsitzender des Ausschusses Betriebswirtschaft

Der Berufsalltag von Steuerberatern und deren Kanzleimitarbeitern ist bekannt dafür, aufgrund zahlreicher Gesetzesänderungen sehr schnelllebig zu sein. Rahmenbedingungen für Beratung und Gestaltung werden durch Gesetzgebung und Rechtsprechung oft kurzfristig geändert. Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung beschleunigen den Veränderungsprozess zusätzlich. Im alles verändernden Jahr 2020 lernten die Steuerberater ein weiteres Stilmittel der normativen Gestaltung unserer Arbeitswelt kennen – die Frequently Asked Questions, kurz FAQs.

Scheinbar im Minutentakt wurden insbesondere die Corona-Unterstützungsmaßnahmen durch FAQs definiert, geändert, interpretiert und erneut geändert. Doch auch im traditionellen Gesetzgebungsbereich hat die Bundesregierung bewiesen, richtungsweisende Gesetze in Rekordgeschwindigkeit erlassen zu können.

Am 29. Dezember 2020 wurde das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG – BGBl. 2020, Teil I, S. 3256) veröffentlicht, nachdem es der Bundestag am 17. Dezember 2020 verabschiedet hatte. Artikel 1 beinhaltet das „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG).“

Das StaRUG als Teil des SanInsFoG ist ein richtungsweisendes Gesetz, durch das der Umgang mit bestandsgefährdeten Unternehmen umfassend geändert wird. Bereits das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) im Jahr 2007 gab Geschäftsführern insolvenzbedrohter Unternehmen mehr Handlungsspielraum, das Unternehmen vor der Zerschlagung im Rahmen von Insolvenzverfahren zu retten. Möglichkeiten zur durch Sachverwalter begleitenden Eigenverwaltung und Vorschlagsmöglichkeiten eines Insolvenzverwalters eröffneten Möglichkeiten.

Während diese Verfahren aber innerhalb des Insolvenzrechts ablaufen, geht der Gesetzgeber mit dem StaRUG einen neuen Weg. Die lang geplante Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben zu präventiven Restrukturierungsmaßnahmen (EU-Richtlinie 2019/1023 vom 20.06.2019) ebnet überschuldeten, aber nicht zahlungsunfähigen Unternehmen den Weg, mittels eines Restrukturierungsrahmens die eigene Sanierung sehr viel wahrscheinlicher zu erreichen. Durch ein Mehrheitserfordernis von nur 75 % der Gläubiger kann auch gegen den Willen von Minderheiten ein Restrukturierungsverfahren verbindlich beschlossen werden – mit allen Konsequenzen wie Forderungsverzichten oder anderen Sanierungsbeiträgen.

Licht und Schatten für Steuerberater

Bereits bei den Corona-Unterstützungsmaßnahmen durch die Bundesregierung wurde der hohen fachlichen Kompetenz der steuerberatenden Berufe durch die Übertragung von Compliance-Funktionen als prüfende Dritte Tribut gezollt. Das StaRUG sieht für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte eine neue, besondere Funktion vor: als Restrukturierungsbeauftragte – die Kernfunktion im Restrukturierungsplan.

Die Tätigkeit fällt nach § 57 Abs. 3 StBerG als betriebswirtschaftliche Beratung unter die vereinbarte Tätigkeit und sollte nicht erst seit der Corona-Pandemie eine Kernaufgabe steuerlicher Berater sein. Damit eröffnen sich neben der klassischen betriebswirtschaftlichen Begleitung der beratenen Unternehmen nun erhebliche Möglichkeiten, einen vollkommen neuen Geschäftszweig in das Angebotsportfolio einer Steuerkanzlei aufzunehmen. Glaubt man den Prognosen zu den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, könnte es sich um einen wichtigen Geschäftszweig handeln. Nicht zuletzt hat die Bundesregierung als Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion (BT-Drucksache 19/26756) die Einschätzung abgegeben, dass sich die Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2021 deutlich erhöhen werden.

Die zugesprochene hohe fachliche Kompetenz hat ihren Preis. In § 102 StaRUG ist gesetzlich festgehalten, was seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2017 (BGH vom 26.01.20217 – IX ZR 285/14) als Auslegung der gewissenhaften Berufsausübung von Steuerberatern bereits erwartet wurde. Steuerberater haben künftig bei Erstellungsaufträgen Mandanten „… auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnung und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind …” (§ 102 StaRUG). Die im Gesetzesentwurf noch vorgesehene Pflicht zur Prüfung der Going-Concern-Prämisse konnte glücklicherweise unter anderem durch die Intervention des Deutschen Steuerberaterverbandes (DStV) verhindert werden. Dennoch gilt es, die Tragweite der Regelung in der täglichen Abschlusserstellung zu beachten.

Fazit

Das StaRUG ist in weiten Teilen bereits zum 01.01.2021 in Kraft getreten. Auch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen aus dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG – endete grundsätzlich zum 31.12.2020 mit teilweiser rückwirkender Verlängerung der Antragsaussetzung bis zum
30. April 2021. Daher besteht nun erhöhter Handlungsbedarf für Steuerberater, sich mit den Pflichten und Möglichkeiten des StaRUG intensiv auseinanderzusetzen.

Die bisherigen Verfahren im Insolvenzrecht liegen fest in der Hand der Juristen, die neuen Wege eröffnen jetzt aber Marktchancen für Steuerberater. Die wichtige Warn- und Hinweisfunktion sollte alleine aus Haftungsgründen sorgfältig umgesetzt werden, daneben eröffnet sie jedoch die Möglichkeit, Mandanten mithilfe eines gesetzlichen Druckmittels zur Handlung zu bewegen. Nutzen wir sie!