
Wiener Kongress: Europäischer Geist und digitaler Reformstau
DStV begrüßt mehr als 1.400 Steuerberater in der Wiener Hofburg zum 38. Deutschen Steuerberatertag.
In der österreichischen Hauptstadt Wien – um genau zu sein, in der barocken Pracht der Hofburg – fand am 5. und 6. Oktober der 38. Deutsche Steuerberatertag statt. DStV-Präsident Harald Elster konnte 1.400 Teilnehmer begrüßen, darunter Angehörige der steuer- und rechtsberatenden sowie der wirtschaftsprüfenden Berufe, der Finanzverwaltung, Richterschaft und Wissenschaft sowie zahlreiche deutsche, österreichische und EU-Politiker. In seiner Eröffnungsrede diskutierte Elster anhandvon vier Thesen aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht.
„Kluge Regulierung fördert das Allgemeinwohl.“von vier Thesen aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht.
Zunächst ging Elster auf das von der EU-Kommission eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Das Verfahren richtet sich gegen verbindliche Mindestpreise der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV). „Verstöße gegen Europarecht müssen umgehend beseitigt werden“, stellte der DStV-Präsident fest: „Berufe mit so umfassenden Rechten und so großer Verantwortung, wie der des Steuerberaters in Deutschland, brauchen jedoch Regeln, um Qualität zu sichern und die Verbraucher zu schützen! Sie schützen Verbraucher davor, im Nachhinein Geld und Zeit investierenzu müssen, um Falschberatungen zu korrigieren.“
Der DStV hat in Abstimmung mit der Bundessteuerberaterkammer daher bereits Vorschläge unterbreitet, nach der die Mindestvergütung abgeschafft und ein Abweichen vom Vergütungsrahmen möglich werden soll. Am Grundsatz der angemessenen Vergütung solle jedoch nicht gerüttelt werden. „Sie stellt ein nachvollziehbares und rechtlich überprüfbares Werkzeug zur Preisfindung dar und dient somit vorrangig dem Verbraucherschutz“, erläuterte Elster.
„Verbindliche europäische Regeln statt Steuervermeidungswettbewerb!“
Elster warnte im Anschluss davor, dass die Ansätze der OECD zur Unterbindung von Steuervermeidungsstrategien nicht zulasten von kleinen und mittelständischen Unternehmen gehen dürfen. „Wenn der nationale Gesetzgeber die Qualität der verabschiedeten Gesetze nicht deutlich verbessert, werden die Bemühungen zur Verhinderung von Steuervermeidungsstrategienins Leere laufen“, warnte der DStV-Präsident.
„Schaffung einer verfassungsmäßigen Erbschaftsteuer, die KMU auch tatsächlich verschont!“
Vor diesem Hintergrund bestehe vor allem bei der Reform des Erbschaftsteuergesetzes noch deutlicher Nachbesserungsbedarf zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen, so Elster „Andernfalls würde den KMU eine Verschonung künftig massiv erschwert.“ Das schade letztlich dem Wirtschaftsstandort Deutschland.
„Digitalisierung ja, aber nicht noch mehr zulasten der steuerberatenden Berufe sowie der Steuerpflichtigen!“
Zuletzt sprach Elster den vorliegenden Referentenentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens an: Zwar werde versucht, die zunehmende Digitalisierung zur Umsetzung eines effizienteren Besteuerungsverfahrens zu nutzen, jedoch führe der Entwurf, so Elster, zu einer ungleichen Risiko- und Lastenverteilung zwischen Finanzverwaltung und Beratern beziehungsweise Bürgern.
„Die geplanten Vorabanforderungen von Steuererklärungen, basierendauf einer automationsgestützten Zufallsauswahl, müssen durch eine Härteklausel abgemildert werden.“ Diese müsse eine verschuldensunabhängige Fristverlängerung vorsehen. Zudem sei, so Elster, die geplante Abgabefrist von drei Monaten zu kurz. Eine Verlängerung der Frist müsse insbesondere vor dem Hintergrund möglich sein, dass nach Fristablauf automatische Verspätungszuschläge ohne Ermessensentscheidung festgesetzt würden.
Die Kombination der geplanten Änderungen belaste vor allem kleine und mittelständische Beratungskanzleien. „Eine entsprechende Anpassung des Referentenentwurfs ist nach Ansicht des DStV unabdingbar, um eine gerechte Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zu erreichen“, so Elsters Fazit.
„Es zählt nur die Ohrfeige, die man spürt.“
Im Anschluss an seine Rede begrüßte Elster den österreichischen Finanzminister Hans-Jörg Schelling. Der ÖVP-Politiker erläuterte jovial und nicht ohne eine gewisse Selbstironie die Herausforderungen, die die Umsetzung einer Finanzreform in Österreich mit sich bringt: Die Tarifsenkung entlaste zwar sowohl Bürger als auch Unternehmen, diskutiert werde aber vor allem eine mit ihr verbundene Anhebung der Mehrwertsteuer, so Schelling: „Wenn eine Steuerreform 20 Ohrfeigen mit sich bringt, diskutieren die Menschen nicht die 19 Schellen, die wegfallen, sondern die eine, die sie trifft.“
Oettinger plädierte daher für eine gemeinsame europäische Digitalisierungsstrategie – analog zu den USA, um die digitale Wirtschaft zu stärken. Zudem sprach er sich für ein gemeinsames europäisches Datenschutzrecht aus, das die 28 Rechtsrahmen der Einzelstaaten ablöst. Als glühender Europäer warb er am Schluss seiner Rede für eine tiefere Integration der EU-Mitgliedsstaaten: „Nur gemeinsam hat Europa die kritische Masse, um an den Verhandlungstischen des 21. Jahrhundert zu sitzen.“ Von seinen Zuhörern verlangte er als wichtige Multiplikatoren ein Werben für Europa – jenseits der Verlockungen rechter und linker Parteien.