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Wohnfläche, Nutzfläche oder doch Brutto-Grundfläche?
Die benötigten Gebäudeflächen nach der Grundsteuerreform und wie diese zu ermitteln sind
Die aufgrund des Urteils vom BVerfG1 notwendige Grundsteuerreform hat insbesondere für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (Grundsteuer B) zu einem Flickenteppich an gesetzlichen Regelungen in Deutschland geführt. Denn durch die im Rahmen des Gesetzespakets zur Reform der Grundsteuer beschlossene Änderung des Grundgesetzes2 wurde den Bundesländern die Möglichkeit eingeräumt, länderspezifische Regelungen zur Ermittlung der Grundsteuer zu schaffen. Davon haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Hamburg umfassend mittels eigener Ländermodelle Gebrauch gemacht. Das Saarland und Sachsen wenden die bundesgesetzlichen Regelungen an, haben sich jedoch für länderspezifische Grundsteuermesszahlen entschieden. In den verbleibenden Bundesländern gelten hingegen einheitliche Regelungen nach dem sogenannten Bundesmodell.
Die Regelungen haben unter anderem zum Ziel, die bisher sehr aufwendigen und komplexen Vorschriften zur Einheitsbewertung zu vereinfachen. Auch wenn für die neuen gesetzlichen Regelungen jeweils deutlich weniger Informationen als bisher benötigt werden, so kommen die Erklärungen dennoch nicht gänzlich ohne die Angabe bestimmter Informationen zu den Grundstücken und Gebäuden aus. Insbesondere zu den Gebäuden sind zukünftig Angaben zu bestimmten Flächen zu machen. Die Besonderheit dabei ist, dass aufgrund der verschiedenen Regelungen in den Bundesländern teilweise unterschiedliche Gebäudeflächen benötigt werden.
So müssen zukünftig – in Abhängigkeit des anwendbaren Gesetzes – die folgenden drei Gebäudeflächen, welche jeweils in m² anzugeben sind, unterschieden werden:
- Wohnfläche
- Nutzfläche
- Brutto-Grundfläche (im nachfolgenden „BGF“)
Unterschiedliche Gebäudeflächen in Abhängigkeit des Bundeslandes
Welche Gebäudeflächen zu ermitteln und in den Erklärungen anzugeben sind, richtet sich neben der gesetzlichen Regelung auch nach der Grundstücksart bzw. der Nutzung der Gebäudeflächen.
Die Angaben zu den Gebäudeflächen werden zukünftig grundsätzlich bis auf Baden-Württemberg in allen Bundesländern benötigt. Da in Baden-Württemberg die Bebauung des Grundstücks für die Bewertung keine Rolle spielt, wird die Wohnfläche, Nutzfläche oder BGF dort nicht benötigt.
Im Bundesmodell wird die Wohnfläche und die Nutzfläche für die wirtschaftlichen Einheiten benötigt, welche im vereinfachten Ertragswertverfahren (§§ 252–257 BewG) bewertet werden. Dies sind gemäß § 250 Abs. 2 BewG die Grundstücksarten (vgl. § 249 BewG):
- Einfamilienhäuser (EFH),
- Zweifamilienhäuser (ZFH),
- Mietwohngrundstücke (MWG) und
- das Wohnungseigentum (WEG).
Die Wohnfläche ist dabei je Wohnung zusätzlich in eine der drei folgenden Größenkategorien einzugruppieren:
- Kategorie 1: < 60 m²,
- Kategorie 2: ≥ 60m² bis < 100 m² und
- Kategorie 3: ≥ 100 m²).
Neben der insgesamten Wohnfläche des Grundstücks ist somit bei mehreren Wohnungen (z. B. ZFH oder MWG) die Wohnfläche auch für jede Wohnung getrennt zu ermitteln.
Je nach Grundstücksart ist weiterhin folgendes zu beachten:
- Für die EFH und ZFH ist die Wohnfläche zzgl. ggf. vorhandenen Nutzflächen in Summe anzugeben.
- Für die MWG ist jeweils nur die Wohnfläche für die einzelnen Wohnungsgrößen anzugeben. Die ggf. weiteren Nutzflächen, die keine Wohnnutzung sind (z. B. Keller, Waschküchen) sind hingegen gesondert anzugeben.
In den Bundesländern mit Flächenmodellen, also Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen wird die Wohnfläche für alle Gebäudeflächen benötigt, welche der Wohnnutzung dienen. Die Nutzflächen wiederum werden für alle Gebäudeflächen benötigt, die nicht der Wohnnutzung dienen. Wird ein Gebäude sowohl zu Wohnzwecken als auch zu Nichtwohnzwecken genutzt, so sind die entsprechenden Flächen separat zu ermitteln und anzugeben.
Grund dafür ist, dass in diesen Bundesländern die Berechnung der Grundsteuer, wie das Wort Flächenmodell bereits impliziert, lediglich auf den Gebäudeflächen beruht. Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Grundstücksarten erfolgt im Gegensatz zum Bundesmodell nicht. Die Gebäudeflächen werden dann mittels einer festgelegten Äquivalenzzahl (0,50 €/m²) multipliziert und ergeben den Ausgangsbetrag für die weitere Berechnung. Bei der tatsächlichen Nutzung der Gebäudeflächen ist dabei nur zwischen Wohn- oder Nichtwohnnutzung zu unterscheiden. Diese Unterscheidung findet dann bei der Ermittlung der Grundsteuer Berücksichtigung, indem z. B. für die Wohnflächen eine ermäßigte Grundsteuermesszahl anzuwenden ist.
Die BGF wird zukünftig nur in den Bundesländern benötigt, welche das Bundesmodell anwenden und dort auch nur für die wirtschaftlichen Einheiten, die im vereinfachten
Sachwertverfahren (§§ 258–260 BewG) zu bewerten sind. Dies sind nach § 250 Abs. 3 BewG die Grundstücksarten
- Geschäftsgrundstücke,
- gemischt genutzte Grundstücke,
- Teileigentum und
- sonstige bebaute Grundstücke.
Die ermittelte BGF wird dann mit den angepassten Normalherstellungskosten (NHK) multipliziert und ergibt den Gebäudenormalherstellungswert, welcher die Grundlage für die Berechnung des Gebäudesachwerts im Bundesmodell darstellt.
Neben Baden-Württemberg wird in den Bundesländern Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen die BGF hingegen nicht benötigt und muss somit auch nicht ermittelt werden.
Hinweise zur Ermittlung der Gebäudeflächen
Wohnfläche
Die Wohnfläche ist grundsätzlich nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV)3 zu ermitteln, welche die in der aktuellen Praxis am häufigsten anzutreffende Berechnungsmethode darstellt. Dabei werden in die Wohnfläche alle Räume innerhalb der Wohnung miteinbezogen. Dazu zählen auch Nebenräume wie z. B. Toiletten, Bäder, Flure oder Abstell-/Hauswirtschaftsräume. Terrassen, Logien oder Balkone sind nach der WoFlV mit ¼, höchstens jedoch mit ½ der Fläche anzurechnen. Zu der Wohnfläche gehört außerdem ein häusliches Arbeitszimmer, auch wenn es nicht der Wohnnutzung dient. Dies soll der Vereinfachung dienen. Räume außerhalb der Wohnung (z. B. Kellerräume oder Garagen) gehören hingegen nicht zur Wohnfläche.
Steht eine Fläche leer oder wird nicht genutzt, so rechnet diese zur Wohnnutzung, wenn die Fläche vorher der Wohnnutzung diente. Dies gilt so lange, bis die Fläche für eine andere Nutzung genutzt wird und die geänderte Nutzungsabsicht objektiv erkennbar ist, z. B. anhand von Vermietungsbemühungen, Anzeigen zur Nutzungsänderung oder Baugenehmigungen.
Eine andere Berechnungsmethode zur Ermittlung der Wohnfläche ist die II. Berechnungsverordnung4 (II. BV). Die II. BV galt bis zum 31.12.2003 für preisgebunden Wohnraum und wurde durch die WoFlV abgelöst. Wurde bei älteren Gebäuden bis zum 31.12.2003 die Wohnfläche noch nach der II. BV berechnet, so kann diese hilfsweise auch für die abzugebenden Erklärungen noch übernommen werden, soweit keine baulichen Veränderungen vorgenommen wurden.
Nutzfläche
Die Nutzfläche ist regelmäßig nach den Regelungen der DIN 277 – insbesondere der DIN 277-1: 2005-02 oder DIN 277-1: 2016-01 – zu ermitteln. Die Nutzfläche umfasst alle Geschossflächen, welche entsprechend der Zweckbestimmung des Bauwerks genutzt werden. Nicht zur Nutzfläche gehören die Konstruktionsfläche (z. B. Wände, Stützen Pfeiler), die technische Funktionsfläche (z. B. Betriebstechnische Anlagen wie Ver- und Entsorgung, Heizung, Elektrische Stromversorgung, Aufzugsanlagen) und die Verkehrsfläche (z. B. Flure, Hallen, Treppen, sonstige Verkehrsflächen).
Brutto-Grundfläche (BGF)
Bei der BGF handelt es sich um die Summe der marktüblich nutzbaren Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks mit Nutzungen nach DIN 277-1:2005-02 und deren konstruktive Umschließungen.5 Für die Grundrissebenen sind die äußeren Maße der Bauteile einschließlich der Bekleidung heranzuziehen.6 Dabei unterscheidet die BGF zwischen den folgenden Bereichen:
- Bereich a – überdeckt und allseitig in voller Höhe umschlossen,
- Bereich b – überdeckt, jedoch nicht allseitig in voller Höhe umschlossen,
- Bereich c – nicht überdeckt.
Für die Feststellungserklärungen zur Ermittlung der Grundsteuerwerte nach dem Bundesmodell werden nur die Bereiche a und b berücksichtigt. Der Bereich c ist hingegen nicht zu erfassen. Für die detaillierten Hinweise zur Ermittlung der BGF wird ebenfalls auf den A 259.4 AEBewGrSt sowie die Anlage 42, I. Teil zum BewG verwiesen.
Fazit
Mit der Grundsteuerreform sollte vieles einfacher werden. Nach einem detaillierten Blick in die einzelnen gesetzlichen Regelungen wird jedoch deutlich, dass durch die unterschiedlich benötigten Gebäudeflächen, je nach Lage des Grundstücks, es auch zukünftig aufwendig und mühsam ist, den Überblick zu behalten und die erforderlichen Daten richtig zu ermitteln. Dies betrifft insbesondere Grundstückseigentümer und Berater mit Mandanten, welche Grundbesitz in verschiedenen Bundesländern haben. Diese müssen in Zukunft sämtliche Gesetze und Verwaltungsanweisungen kennen und anwenden sowie die verschiedenen Informationen und Daten aufbereiten können. Dies bezieht sich dabei längst nicht nur auf die Gebäudeflächen, sondern zieht sich auch durch viele weitere Aspekte der Grundsteuerreform. Umso mehr denn je empfiehlt es sich für Berater und Grundstückseigentümer, das Thema Grundsteuerreform frühzeitig anzugehen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen sowie zielgerichtete Prozesse zu implementieren.
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Grundsteuerreform (Bundesmodell und Bayern)
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1 BVerfG, Urteil v. 10.0+4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12.
2 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 72, 105 und 125b) v. 15.11.2019, BGBl. I S. 1546.
3 Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche – Wohnflächenverordnung (WoFlV) v. 25.11.2003, BGBl. I 2003, 2346.
4 Zweite Berechnungsverordnung – II BV – in der Fassung der Bekanntmachung v. 12.10.1990 (BGBl. I 1990, 2178), die zuletzt durch Art. 78 Abs. 2 des Gesetzes v. 23.11.2007 (BGBl. I 2007, 2614) geändert worden ist.
5 A 259.4 Abs. 1 AEBewGrSt.
6 A 259.4 Abs. 3 Satz 1 AEBewGrSt.