Foto: LuckyStep/adobe stock

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Mit Künstlicher Intelligenz den Berufsstand zukunftssicher aufstellen

Die digitale Transformation schafft neue Formen der Unterstützung

Von Robert Mayr, CEO der Datev eG

Künstliche Intelligenz (KI) ist wahrlich kein neues Phänomen, schließlich forscht die Menschheit schon seit vielen Jahrzehnten auf diesem Gebiet. Und doch stellte ein Open-Source-Produkt vor kurzem alles bisher Dagewesene in den Schatten: ChatGPT. Denn die zugrunde liegende Technologie ermöglicht plötzlich einen flächendeckenden Einsatz von KI, die einfache Handhabung für jedermann lässt dieses Werkzeug revolutionär erscheinen. Auf Knopfdruck generiert das Tool beispielsweise in Sekundenschnelle Texte, für deren manuelles Erstellen zuvor viel Zeit aufgewendet werden musste. Denn die Maschine ist dem Menschen immer dann überlegen, wenn es darum geht, eine gigantische Menge von Daten und Informationen zu durchforsten, Muster zu erkennen und sie nach bestimmten Vorgaben neu anzuordnen.

Dadurch ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, wie diese Systeme auch im Alltag einer Steuerkanzlei unterstützend integriert werden können. Wichtig dabei: Die Technologie bleibt immer nur ein Helfer, sie ist kein Ersatz für eine Steuerberaterin oder einen Steuerberater. Die Arbeit, die von Menschen erledigt werden muss, wird sich wandeln, aber sie wird auf absehbare Zeit nicht weniger werden. Wenn eine Tätigkeit wegfällt, wird an anderer Stelle eine neue entstehen, welche die Maschine nicht übernehmen kann. Das bedeutet für die Jobsituation: Der individuelle und kontinuierliche Qualifizierungsbedarf wird steigen, aber die Angst, der Mensch werde nicht länger gebraucht, ist unbegründet. Denn KI-Technologien werden uns in einer Menge von Einsatzszenarien voranbringen.

KI ist bereits Helfer im Alltag

Schon heute kommt eine Vielzahl an auf den ersten Blick nicht sichtbaren KI-Helfern zum Einsatz – gerade bei der Softwarenutzung. Die KI-Unterstützung arbeitet gewissermaßen „unter der Haube“ und steigert die Effizienz der Lösungen, indem sie Erkennungsquoten bestimmter Informationen verbessert, Anomalien aufdeckt oder programmintern Prozesse überwacht und auf Fehler hinweist. Die Technik führt unweigerlich und kontinuierlich zu mehr Prozesseffizienz. Das gilt nicht nur im produzierenden Gewerbe, sondern auch bei Dienstleistungen und daher bei Tätigkeiten, die Steuerberaterinnen und Steuerberater für ihre Mandanten erbringen. Gerade vor dem Hintergrund des stark gestiegenen Arbeitsaufwands aufgrund neuer gesetzlicher Rahmenbedingungen wie Kurzarbeitergeld, Grundsteuer oder Coronahilfen kann der Einsatz von KI die Mitarbeitenden in Kanzleien bei vielen Routineaufgaben entlasten.

Ein konkretes, bereits existierendes Beispiel liefern etwa Automatisierungsservices. Mit dem Automatisierungsservice Rechnungen von DATEV ist es in den Kanzleien heute bereits möglich, sich einen Teil der Routinetätigkeit beim Buchen von Geschäftsvorfällen von der Maschine abnehmen zu lassen. Die im Service verwendete KI erkennt zum Beispiel den beteiligten Geschäftspartner und den Sachverhalt auf einem Belegbild und erstellt auf dieser Basis unter Einbezug der Buchungshistorie die passenden Buchungsvorschläge.

Auch bei der Liquiditätsbetrachtung eines Unternehmens leistet KI schon heute einen wertvollen Beitrag. Im DATEV Liquiditätsmonitor online prognostiziert sie aufsetzend auf der Analyse der tagaktuellen Bankdaten die voraussichtliche Entwicklung der Liquidität in den kommenden Wochen. Ergänzt um bereits bekannte zukünftige Zahlungen kann die Steuerberaterin oder der Steuerberater so über eine einfache Simulation ermitteln, wie sich zum Beispiel etwaige Forderungsausfälle oder Lieferantenverbindlichkeiten auf die Liquidität auswirken würden.

KI-Entwicklung schreitet rasant voran

Getrieben durch die Fortschritte bei generativer KI, einem Sammelbegriff für KI-basierte Systeme, mit denen auf der Basis von sehr großen Datenmengen alle möglichen Ergebnisse produziert werden können, geht auch hier die Entwicklung rasant weiter. So veröffentlichte DATEV im Dezember vergangenen Jahres mit der KI-Werkstatt eine Plattform, auf der Mitglieder KI-Anwendungen bereits in einem experimentellen Stadium ausprobieren können. Darunter ist auch die Basisversion eines Generators, der anhand weniger Eingaben automatisch einen Einspruch gegen einen Steuerbescheid formuliert. In einer späteren Ausbaustufe wird das Werkzeug dazu eingereichte Erklärungen und Bescheide analysieren, Abweichungen und einspruchsfähige Sachverhalte erkennen und diese mit Dokumenten zur Rechtslage aus der angeschlossenen Rechtsdatenbank DATEV LEXinform abgleichen. Ein weiteres Projekt ist DATEV-GPT, eine für die Anforderungen des Berufsstands spezifizierte Testversion von ChatGPT. Anders als bei der frei verfügbaren Version wird sie die gewohnten Funktionen für DATEV-Mitglieder in einem geschlossenen, datenschutzkonformen Rahmen nutzbar machen. Ein dritter Prototyp, der sogenannte „Jobinator“, ist ein intelligenter Assistent, der auf Basis weniger Eingaben Stellenausschreibungen für die Personalsuche der Kanzlei erstellt. Nach und nach werden darüber hinaus weitere Anwendungen hinzukommen – so steht bereits eine frühe Version eines weiteren intelligenten Assistenten in den Startlöchern, der in Kürze bereitgestellt wird. Er wird gezielt beim Formulieren von Inhalten der Kanzlei für verschiedene Social-Media-Kanäle wie LinkedIn oder Instagram unterstützen.

Die Zukunft wird uns noch weitere, spannende Anwendungen im Bereich der KI bescheren. Daher ist es umso wichtiger, sich frühzeitig mit der Technologie auseinanderzusetzen, um von den daraus resultierenden Möglichkeiten und Vorteilen profitieren zu können. Dies gilt natürlich auch für die Steuerberatung – und dass hier noch großes Potenzial besteht, zeigt der Blick auf die Ergebnisse unseres DATEV Seismografen. Die im Rahmen unserer Studie im Oktober 2023 befragten Kanzleien gaben dabei an, dass eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema KI meist noch nicht stattgefunden hat. Das ist vor allem der hohen Arbeitsbelastung und dem damit einhergehenden Zeitmangel in den Kanzleien geschuldet. Daneben nennen 52 Prozent der befragten Steuerberaterinnen und Steuerberater auch fehlendes Wissen als Hemmnis für den KI-Einsatz im beruflichen Kontext.

Doch die Kanzleien sehen auch die enormen Möglichkeiten, die generative KI mit sich bringt: in erster Linie bei der Erstellung von Textinhalten für die schriftliche Kommunikation (48 Prozent), Recherchen (43 Prozent) und der Vorbereitung und Durchführung von Beratungen (24 Prozent). Und auch wenn der Einsatz neuer Technologie zunächst mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist, wird die Anwenderin oder der Anwender früher oder später von deren Vorzügen profitieren. Daher muss es unser aller Ziel sein, KI verstärkt in die Kanzleien zu bringen, um diese zu entlasten. Denn gerade im Hinblick auf die hohe Arbeitsbelastung ist dieser Schritt essenziell, um den steuerberatenden Berufsstand zukunftssicher aufzustellen.