Anzeigepflichten für Steuerberater
Interessantes Symposium des DWS in Berlin
Um die Vollziehbarkeit der von der EU beschlossenen Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen und einer möglichen nationalen Regelung zu innerdeutschen Vorgängen ging es auf einem Symposium des Deutschen wissenschaftlichen Instituts der Steuerberater e.V. am 26.11.2018 in Berlin. An ihm nahmen für den DStV Vizepräsident StB/vBP Franz Plankermann, Hauptgeschäftsführer RA/FAStR Prof. Dr. Axel Pestke, Geschäftsführer StB/Syndikus-RA Norman Peters und die Leiterin der DStV-Steuerabteilung StB/RA Sylvia Mein teil.
Der Präsident der Bundessteuerberaterkammer und Vorstandsvorsitzende des DWS-Instituts StB/WP/RA Dr. Raoul Riedlinger begrüßte die Teilnehmer und führte in die Problematik ein. Dr. Riedlinger beklagte die Unbestimmtheit der europäischen Regelungen und sprach sich für eine praxistaugliche, die Verschwiegenheitspflichten der Freien Berufe respektierende Umsetzung aus. In einem anschließenden Impuls-Referat gab der Vizepräsident der Bundessteuerberaterkammer und Vorstandsmitglied des DWS-Instituts StB Dr. Hartmut Schwab einen Überblick über die Eckpunkte der bereits beschlossenen Regelungen auf EU-Ebene und der in der Diskussion befindlichen Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht. Außerdem sprach er die ebenfalls diskutierte nationale Anzeigepflicht für innerdeutsche Vorgänge an. Zugleich benannte er Zweifelsfragen, die sich in dieser Hinsicht ergeben.
In einer anschließenden Podiumsdiskussion, die von StB Prof. Dr. Roman Seer, dem Vorsitzenden des wissenschaftlichen Arbeitskreises Steuerrecht des DWS-Instituts, geleitet wurde, erörterten sodann Vertreter der Politik, nämlich Dr. Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Finanzministerium von Schleswig-Holstein, StB Sebastian Brehm (CSU), MdB, Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, und StB Markus Herbrand (FDP), MdB, Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, sowie StB Dr. Hartmut Schwab das Thema.
Dabei führte Dr. Nimmermann einleitend aus, dass der Steuergesetzgeber trotz aller fachlichen Unterstützung durch seine Beamten nicht vorhersehen könne, wie seine Gesetze wirkten. Es gebe so viele innovative Modelle, sogenannte Derivate, die keinen anderen Sinn hätten, als Steuern zu sparen. Dies könne der Staat nicht vorhersehen. Um dies zu überblicken, brauche er Informationen. Dabei distanzierte sich Dr. Nimmermann ausdrücklich von der Zielsetzung der EU-Regelung, von Steuergestaltungen abzuschrecken. Er hätte diesen Begriff nicht in die Begründung der EU-Richtlinie geschrieben. Auch den Begriff „aggressive Steuerplanung“ halte er für unangebracht. Dr. Nimmermann erklärte weiter, er halte auch nichts von einer veranlagungsunterstützenden Funktion bei Anzeigepflichten. Für ihn zähle nur die rechtspolitische Funktion, durch die erreicht werden solle, dass der Gesetzgeber auf Steuerumgehungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht werde. Dass eine veranlagungsunterstützende Funktion wenig Sinn mache, ergebe sich schon daraus, dass eine Finanzbeamtin oder ein Finanzbeamter vor Ort in diesen Fällen allein gar nichts entscheiden könne, handele es sich doch um legale Gestaltungen. Es gehe hier ausschließlich um gesetzgeberische Entscheidungen. Das Beispiel der Share Deals zeige, dass man politisch – auch unter Bundesländern – sehr unterschiedlicher Auffassung sein könne. Darüber müsse man dann demokratisch streiten, am Ende solle der Wähler entscheiden. Mit dem jetzigen Konzept einer nationalen Anzeigepflicht sollten überhaupt nur 1 % der deutschen Steuerzahler getroffen werden. Dr. Nimmermann führte aus, seiner Ansicht nach könne eine deutsche Anzeigepflicht schmaler sein als die EU-Regelung. Vielleicht strahle dies dann sogar nach Europa aus und führe zu Verbesserungen in der EU-Richtlinie.
Der Bundestagsabgeordnete StB Sebastian Brehm (CSU) vertrat die Auffassung, dass es keiner nationalen Anzeigepflicht für Steuergestaltungen in Deutschland bedürfe. Die Fälle, die zur Begründung eines solchen Projekts angeführt würden, seien alle bekannt gewesen. Zu ihrer Entdeckung habe es keiner gesetzlichen Anzeigepflicht bedurft. Gerade das Beispiel der Share Deals zeige, dass die Politik entsprechende Sachverhalte durchaus kenne, sie aber unterschiedlich bewerte. Die Grenze zwischen legalen und illegalen Steuergestaltungen dürfe nicht verwischt werden. Auch dürfe kein Klima der Verdächtigung geschaffen werden: Ein Berater, der zehn Modelle melde, dürfe deshalb noch nicht als „bedenklich“ eingestuft werden. Auch bestehe die Gefahr, dass die beruflichen Verschwiegenheitspflichten Stück für Stück entwertet würden. Er teile deshalb die Meinung der Bayerischen Landesregierung, die eine nationale Anzeigepflicht ablehne. Viel besser sei es, bestehende Möglichkeiten, wie z. B. die zeitnahe Betriebsprüfung, zu nutzen. Brehm sah zudem die Gefahr, dass teilweise sogar zwei Meldungen abgegeben werden müssten, eine aufgrund des europäischen Rechts und eine aufgrund einer nationalen Regelung.
Der Bundestagsabgeordnete StB Markus Herbrand (FDP) sah ebenfalls die Gefahr, dass sich Deutschland mit einer nationalen Anzeigepflicht überreguliere. In Großbritannien habe die dortige Anzeigepflicht viele hundert Seiten umfassende Erläuterungsschreiben der Finanzverwaltung erforderlich gemacht. In Deutschland werde dies vermutlich nicht anders sein, falls eine solche Regelung geschaffen würde. Man dürfe nicht verkennen, dass es hier um legale Steuergestaltungen gehe. Illegales Verhalten stehe ohnehin unter Strafe und für illegales Verhalten könne es keine Anzeigepflicht geben. Daraus folge für ihn, dass mit den Anzeigepflichten zulässige Planungen behindert werden sollen. Steuerberater sollten zu Erfüllungsgehilfen der Finanzverwaltung gemacht werden, weil der Staat die Probleme trotz seiner Beamten, wie Herr Dr. Nimmermann dazu gesagt habe, nicht lösen könne. Er frage sich aber, ob wirklich eine Kernfunktion des steuerberatenden Berufs, nämlich die Steuergestaltungsberatung, auf diese Weise angegriffen oder ausgehebelt werden sollte. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme, zumal vieles den staatlichen Stellen bekannt sei. Er frage sich darüber hinaus, ob das Projekt einer nationalen Anzeigepflicht geeignet sei, um Steuergestaltungen zu verhindern. Seiner Ansicht nach sollte zunächst abgewartet werden, welche Erfahrungen man mit der EU-Richtlinie mache. Als Alternative zu einer nationalen Anzeigepflicht brachte Herbrand eine Stärkung des Instruments der verbindlichen Auskunft ins Gespräch.
Staatssekretär Dr. Nimmermann bestritt, dass alle Modelle, die Steuerschäden verursachen, dem Gesetzgeber bekannt seien. An das Publikum richtete er die Frage, ob es nicht spannend sein könnte, zwei parallel wirkende Konzepte zu haben und in ihren Wirkungen zu vergleichen: eine Regelung auf EU-Ebene für grenzüberschreitende Gestaltungen und eine nationale Anzeigepflicht. Die Frage, ob Steuerberater Erfüllungsgehilfen des Staates und Reparaturbetrieb der Politik sein sollten, beantwortete Dr. Nimmermann ausdrücklich mit ja. Er appellierte an den Teamgeist aller am Besteuerungsverfahren Beteiligten, dafür zu sorgen, dass dem Staat keine Steuerausfälle entstehen.
Den Gedanken des Teamgeistes aufgreifend, wies Prof. Dr. Seer darauf hin, dass er grundsätzlich ein großer Befürworter von Kooperationsmodellen im Besteuerungsverfahren sei. Dann müsse der Goodwill der einen Seite, hier der Steuerpflichtigen und ihrer Berater, aber auch mit einem Goodwill auf der gegenüberliegenden Seite einhergehen, was bei der Anzeigepflicht in ihrer derzeit diskutierten Form nicht der Fall sei. So sei bisher nicht vorgesehen, dass der Staat gegenüber dem Meldenden eine Einschätzung abgebe, ob das Modell steuerlich akzeptabel oder steuerlich nicht akzeptabel sei. Dies sei in Österreich ganz anders gelöst worden. In Österreich habe man jüngst ausdrücklich eine Regelung in das Gesetz aufgenommen, dass die Frage von der Finanzverwaltung beantwortet werden muss, ob ein gemeldetes Verhalten als Missbrauch einzustufen ist oder nicht. Hieran solle sich Deutschland ein Beispiel nehmen.
MdB Brehm sah einen Widerspruch darin, dass Steuerberater per Gesetz verpflichtet seien, ihren Mandanten die besten Steuersparmöglichkeiten zu empfehlen, andererseits durch eine Anzeigepflicht gezwungen werden sollen, diese – legalen und im Mandanteninteresse gebotenen - Steuersparmöglichkeiten zu melden. Durch solch gegenläufige Regelungen werde die Rolle des steuerlichen Beraters ausgehöhlt. Es habe ihm auch noch niemand jemals ein Modell nennen können, das nicht bekannt gewesen sei.
MdB Herbrand sah die Gefahr, dass die Finanzbehörden von einem Tsunami an Meldungen betroffen sein werden, wie dies bei den Geldwäsche-Meldungen an den Zoll bereits der Fall sei. Wenn es zutreffe, dass nur 1 % der Steuerpflichtigen von einer nationalen Anzeigepflicht getroffen werden sollen, dann müssten 99 % durch entsprechende Regelungen im Gesetz befreit werden, was er bisher aber nicht erkennen könne. Keinesfalls dürfe es so sein, dass Steuerberater fünfzehnmal an einem Tag darüber nachdenken müssten, ob sie verpflichtet seien, einen auftretenden Vorgang zu melden oder nicht. Solche Belastungen der Alltagsarbeit von Beratern, die ihrer ihnen vom Gesetzgeber zugewiesenen gesetzlichen Aufgabe nachgingen, müsse unbedingt verhindert werden.
Sodann wurde noch einmal auf die vorbildlichen Regelungen zum Auskunftsbescheid im österreichischen Steuerrecht eingegangen, welche mit dem Jahressteuergesetz 2018 für die Zeit ab 1.1.2019 eine grundlegende Erweiterung erfahren haben. MdB Herbrand erklärte hierzu, Rechtssicherheit sei ein Standortfaktor. Der deutsche Gesetzgeber müsse sich etwas einfallen lassen, um nicht hinter andere Länder zurückzufallen. Die Verhältnismäßigkeit müsse in jedem Falle gewahrt bleiben. Bisher sehe er sie nicht.
BStBK-Vizepräsident Dr. Schwab wies darauf hin, dass es in der EU-Richtlinie keine De-Minimis Regelung gebe. Damit müssten auch Kleinstfälle gemeldet werden, was die Praxis sowohl der Steuerberater als auch der Finanzbehörden stark belasten werde.
Dies sei in jedem Falle unverhältnismäßig. Sämtliche Modelle, welche die Politik vor Augen habe, gingen vom Kapitalmarkt aus. Wenn dem aber so sei, dann solle man das beim Namen nennen und gezielt diese Fälle angehen. Stattdessen würden aber vor allem die Steuerberater von dem nebulösen Begriff des „Intermediärs“ erfasst, dabei hätten sie mit den genannten Fällen gar nichts zu tun. Dies sei alles andere als eine zielgenaue, den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit entsprechende Regelung.
MdB Brehm erklärte, er halte die EU-Richtlinie in vielen Punkten für problematisch. Hierzu zählten das Fehlen einer De-Minimis Regelung und die Rückwirkung der Meldepflicht. Soweit dem deutschen Gesetzgeber – z. B. bei den Bußgeldern – Spielräume blieben, sollte er diese nach Ansicht Brehms praxistauglich nutzen. Eine nationale Meldepflicht zum jetzigen Zeitpunkt halte er für absolut falsch. BStBK-Vizepräsident Dr. Schwab plädierte dafür, Steuerpflichtige, die sich in Dauermandaten befinden, generell von der Anzeigepflicht auszunehmen, weil alles, was sie betreffe, ohnehin in Betriebsprüfungen gerechtfertigt werden müsse. Generell sei es so, dass Steuerberater nicht an die Grenze des Zulässigen gingen, weil sie ein Interesse daran hätten, Mandate dauerhaft zu erhalten.
Prof. Dr. Seer wies darauf hin, dass sich derzeit alle Mitgliedstaaten der EU Fragen über die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht machten. Er empfahl dem deutschen Gesetzgeber, dem Bund und den Ländern, sich zunächst einmal zu informieren, wie andere Mitgliedstaaten die EU-Richtlinie umsetzen wollen. Daraus könne man gewiss lernen. Seiner Ansicht nach könne es Deutschland in dieser Frage aber durchaus auch einmal auf ein Vertragsverletzungsverfahren ankommen lassen.
Nachdem die Diskussion für das Publikum geöffnet wurde, meldeten sich verschiedene Veranstaltungsteilnehmer zu Wort. StB/WP/FB f. IntStR Dr. Dieter Mehnert, Präsident der Steuerberaterkammer Nürnberg machte deutlich, dass ihn die zur Begründung einer nationalen Anzeigepflicht ins Feld geführten Argumente nicht überzeugten. Das Phänomen des Umsatzsteuerbetrugs sei den staatlichen Stellen und auch dem Gesetzgeber bekannt, es werde aber viel zu lax, teilweise gar nicht bekämpft. Es sei bekannt, dass große Internetplattformen der Steuerhinterziehung Vorschub leisten, dennoch geschehe nichts bzw. zu wenig, um dem staatlicherseits abzuhelfen. Aus der Untätigkeit des Staates in diesen Bereichen lasse sich nur der Schluss ziehen, dass es bei den Anzeigepflichten nicht um die Sache, sondern um politische Effekthascherei gehe.
Die Leiterin der DStV-Steuerabteilung StB/RA Sylvia Mein betonte, dass sich die mitunter zur Begründung von Anzeigepflichten angeführten Cum-Ex Fälle dazu nicht eigneten, weil es hier nicht um legale, sondern um illegale Verhaltensweisen gegangen sei und es kein Selbstbelastungsgebot geben könne. Dem entgegneten die Bundestagsabgeordneten Lothar Binding (Finanzpolitischer Sprecher der SPD) und Dipl.-Vw. Lisa Paus (Finanzpolitische Sprecherin von Bündnis 90 / Die Grünen), dass es in der Anfangsphase durchaus Äußerungen in der Literatur und in der Wirtschaft, insbesondere der Kreditwirtschaft, gegeben habe, die derartige Geschäfte als legal beschrieben hätten. Ihrer Ansicht nach hätten Anzeigepflichten bei den Cum-Ex Geschäften deshalb sehr wohl etwas bewirken können.
Insgesamt zeigte die Veranstaltung die vielfältigen Probleme und die geteilten Ansichten in Bezug auf Anzeigepflichten auf. Die weitere Debatte bleibt abzuwarten.