EU-Dienstleistungspaket rückt näher

Während es bei den im Binnenmarktpaket der EU-Kommission enthaltenen Richtlinienentwürfen zur Verhältnismäßigkeitsprüfung und zur Reform des Notifizierungsverfahrens in die nächste Phase des Gesetzgebungsprozesses geht, wird das Weiterverfolgen des Richtlinienentwurfs der EU-Kommission zur Einführung einer Europäischen elektronischen Dienstleistungskarte zunehmend kritisch gesehen.

Verhältnismäßigkeit und Notifizierungsverfahren

Der Binnenmarktausschuss des Europaparlaments (IMCO)  hat Mitte Dezember die Abschlussberichte zu den Gesetzesvorlagen für die Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung und für die Reform des Notifizierungsverfahrens verabschiedet.

Zur Enttäuschung des DStV haben sich die von Seiten der Freien Berufe erheblich kritisierten Positionen der EVP-, EKR- und ALDE-Fraktionen durchgesetzt. Somit kommen die Abschlussberichte des Binnenmarktausschusses zur Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Notifizierungsverfahren den ursprünglichen Kommissionsentwürfen und den generellen Ausrichtungen des Rates sehr nahe. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung bedeutet dies, dass eine erhebliche Ausweitung des Kriterienkatalogs, der für die Verhältnismäßigkeitsprüfung anzuwenden ist, stattfinden wird. Die Reform des Notifizierungsverfahrens wird der EU-Kommission ein Widerspruchsrecht beim Erlass neuer oder bei der Änderung bestehender Berufsregulierungen zugestehen. Auch findet eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil der Mitgliedstaaten statt.

Durch diese politischen Entwicklungen sind die Möglichkeiten der Freien Berufe, im weiteren Verlauf noch Veränderungen im Gesetzestext zu erreichen,  erheblich eingeschränkt. Dennoch kamen am 20.2.2018 DStV-Europareferent Dr. Jan Trommer und Felix Martens, Assistent der Europarechtsabteilung des DStV, in Brüssel zu einem intensiven fachlichen Gespräch mit wichtigen Vertretern der Europäischen Kommission zusammen. Im Gespräch mit der EU-Kommission kritisierte der DStV, dass die durch die Reformvorschläge entstehende faktische Übertragung des Ermessens und damit der Rechtssetzungskompetenz von berufsregulierenden Maßnahmen auf die EU-Kommission europarechtswidrig und unverhältnismäßig sei. Vorab hatte der DStV den Vertretern der EU-Kommission sowie dem zuständigen Referat im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) seine Stellungnahme E 06/18 zukommen lassen, welche die wesentlichen Kritikpunkte und Befürchtungen des DStV zum Dienstleistungspaket umfasst.

Der Trilog, der informelle Vermittlungsprozess zwischen EU-Kommission, Rat und Europaparlament, hat Ende Januar 2018 begonnen. Die finalen Richtlinien sind im dritten Quartal 2018 zu erwarten.

Europäische elektronische Dienstleistungskarte

Da sowohl der Rat der Europäischen Union, als auch der Binnenmarktausschuss des Europaparlaments bisher keine generelle Ausrichtung finden konnten, befindet sich der Richtlinienentwurf zur Einführung einer Europäischen elektronischen Dienstleistungskarte (DL-Karte) noch nicht im interinstitutionellen Trilog.

Deshalb hatte sich der DStV am 12.2.2018 nochmals, in einer mit der BStBK gemeinsam verfassten Stellungnahme, an die Mitglieder des Binnenmarktausschuss des Europaparlaments sowie an das zuständige Referat des BMWi gewendet. Darin wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, dass der Richtlinienentwurf in vielen Punkten Verfahrensvorgaben enthält, die nicht praxistauglich sind, teilweise sogar den verlässlichen Rechtsverkehr gefährden, somit zu einer weiteren Fragmentierung des Binnenmarktes für Dienstleistungen führen und die bestehenden Qualitätsstandards und den Verbraucherschutz gefährden.

Erfreulich ist, dass sich zuletzt die französische und die deutsche Regierung gemeinsam der Kritik aus Reihen der Freien Berufe angeschlossen haben und sich im Rat der EU gegen die Einführung einer DL-Karte ausgesprochen haben. Somit wird derzeit die Findung einer generellen Ausrichtung im Rat zum Richtlinienentwurf verhindert.

Der Meinungsstand im Binnenmarktausschuss des Europaparlaments gibt gegenwärtig ein ähnlich zerrüttetes Bild ab. Zwar hatte der Berichterstatter MdEP Morten Løkkegaard (ALDE) Ende Februar 2018 einen Kompromissvorschlag vorgelegt, welcher viele Kritikpunkte des DStV aufnimmt, jedoch hat dies nicht geholfen, den Widerstand anderer politischer Gruppierungen im Ausschuss (S&D) zu reduzieren. Vielmehr machte die S&D-Fraktion in der letzten Sitzung des Binnenmarktausschusses deutlich, dass sie die Dienstleistungskarte gänzlich ablehnt. Ob es der Richtlinienentwurf trotzdem weiter verfolgt wird, ist aus Sicht des DStV äußerst fraglich.

Dennoch hat der Binnenmarktausschuss für den 21.3.2018 eine Abstimmung über die Annahme des Kompromissvorschlags von MdEP Morten Løkkegaard angesetzt.

(Stand: 6.3.2018)

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