Once upon a time in Brüssel - Ein Steuermärchen

An Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachungen haben sich schon Generationen von Politikern und Beamten versucht. Jetzt schlüpft auch die EU-Kommission in die Rolle des tapferen Schneiderleins.     

„Wir müssen ehrlichen Bürgern und Unternehmen das Leben erleichtern, wenn es darum geht, ihre Steuern zu zahlen, und Betrügern und Steuerködern das Leben erschweren“, meinte Paolo Gentiloni, der italienische Kommissar für Wirtschaft bei der Vorstellung des jüngsten Steuerpakets der EU. Die Guten sollen also belohnt und die Bösen bestraft werden. Das Ansinnen der EU-Kommission klingt beinahe märchenhaft. Auch wenn der Ehrliche am Ende nicht die Prinzessin zur Frau erhält, sondern mit Einfachheit bei der Steuerentrichtung beglückt und der böse Wolf mit steuerlicher Transparenz geläutert werden soll.

Kern des Steuerpakets ist der „Aktionsplan der EU-Kommission für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie“, der sich aus einem Bündel von insgesamt 25 Maßnahmen zusammensetzt. Erwartungsgemäß wird die EU-Kommission dabei weiter gegen Steuerhinterziehung ins Feld ziehen. Das ist verständlich, denn gerade in Corona-Zeiten schmerzt die Mitgliedstaaten der geschätzte jährliche Steuerausfall von 137 Milliarden € aufgrund der bestehenden Mehrwertsteuerlücke bzw. von 46 Milliarden € aufgrund Steuerhinterziehung in besonderem Maße.  

Ebenso erwartungsgemäß sieht der Aktionsplan vor, Digitalisierung und Datenaustausch der Steuerverwaltungen auszuweiten und Steuerdaten effizient zu nutzen. Hier wird es gelten genau hinzusehen, ob sich Transparenz und Effizienz nicht als unzulässige Synonyme für den gläsernen Steuerpflichtigen entpuppen. 

Zudem will die EU-Kommission ein einfacheres und modernes Steuerumfeld schaffen. Darunter dürften die Empfehlungen der EU-Kommission zur Verbesserung der Unterstützung bei der Beitreibung nicht entrichteter Steuern genauso zu sehen sein, wie die Erleichterung und Förderung der Steuerehrlichkeit von Unternehmen im Rahmen eines „Cooperative Compliance“-Frameworks. Es wäre zu begrüßen, wenn in dem Zusammenhang auch die bestehenden Unterschiede in Bezug auf die Verpflichtung zur Compliance bei Steuerberatern in Europa abgebaut und auf das bestehende deutsche Level gehoben würden. Dies würde in weit höherem Maße zur Harmonisierung des Berufsrechts von Steuerberatern in Europa beitragen, als eine unverhältnismäßige Deregulierung der Vorbehaltsaufgaben.

Der Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung dürfte auch den neu geschaffenen ständigen Unterausschuss des EU-Parlaments für Steuerangelegenheiten nach Sitzungsaufnahme im September nachhaltig beschäftigen. Dabei wird der Ausschuss sich insbesondere mit dem Kampf gegen Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und finanzieller Transparenz für Besteuerungszwecke auseinandersetzen. Dem dreißigköpfigen Gremium gehören mit Markus Ferber (CSU), Sven Giegold (Grüne) und Martin Schirdewan (Linke) auch drei deutsche Europaabgeordnete an.
Für den DStV bietet der neue Ausschuss eine gute Gelegenheit, das vom EU-Parlament beschädigte Image der beratenden und prüfenden Berufe, die „bei der Geldwäsche und der Terrorismusbekämpfung eine gewichtige Rolle spielen“ würden, wieder ins rechte Licht zu rücken. Daher freuen wir uns auf die Zusammenarbeit.