Foto: pattozher/adobe stock

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Vom Messekontakt zur echten Verbindung

Der erste Eindruck zählt – aber der zweite macht den Unterschied

Von Julia Kunz, Master of cognitive neuroscience (aon), LSWB-Referentin, www.hashtag-brain.de

Nach der Messe stapeln sich Visitenkarten, LinkedIn-Anfragen und lose Notizen: „War das der mit der Kanzlei in München oder der, der sich über Azubis beklagt hat?“ Ohne gezieltes Follow-Up verpuffen selbst die besten Gespräche. Doch wie macht man aus einem flüchtigen Kontakt eine langfristige Verbindung?

Die Antwort liegt in der Neurowissenschaft: Unser Gehirn erinnert sich besser an Menschen, die Emotionen ausgelöst haben als an „Standardkontakte“. Und genau das sollten Steuerberatende gezielt nutzen.

Bereits während der Messe die richtigen Weichen stellen

Nach einem Messetag fühlt sich das Gehirn an wie ein vollgestopfter Aktenschrank – zu viele Gesichter, Namen und Gespräche. Die Neurowissenschaft zeigt: Unser Gedächtnis speichert Informationen besser, wenn wir sie mit Bildern oder Emotionen verknüpfen. Deshalb hilft es, sich direkt nach jedem Gespräch kurze Notizen zu machen. Das kann klassisch auf der Rückseite einer Visitenkarte sein („sprach über digitale Buchhaltung, hat zwei Hunde“) oder digital, z. B. als schnelle Sprachnotiz ins Handy.

MemoTipp: Erledigen Sie das direkt nach dem Kontakt – planen Sie also dafür jeweils noch eine Minute ein. Das Kurzzeitgedächtnis ist leider sehr knapp bemessen, sodass wir uns nur wenige Dinge auf einmal merken können. Wissenschaftler sprechen von 7 +/- 2 Chunks, also Speichereinheiten. Das ist nicht viel, vor allem, wenn Ihr Gedächtnis sowieso schon stark beansprucht ist wie an einem Messetag.

Empfehlenswert ist, mit einer einfachen Struktur immer in derselben Reihenfolge zu arbeiten – so wird die Nachbereitung leichter: Wen habe ich getroffen? Worüber haben wir gesprochen? Welchen nächsten Schritt will ich gehen? Was war besonders an dem Gespräch? So wissen wir nach der Messe nicht nur, wer uns sympathisch war, sondern auch, wem wir welche E-Mail schreiben wollten – sei es mit einer Sachinfo, einem potenziellen Kooperationsangebot oder einfach nur einer netten Erinnerung an ein gutes Gespräch.

MemoTipp: Nutzen Sie die Aufnahmefunktion Ihres Handys oder ChatGPT. Lassen Sie sich Ihre Texte später transkribieren. So geht die Aufnahme leichter und später können Sie die Informationen gut nacharbeiten, weil Sie alles verschriftlicht haben.

Unser Gehirn verarbeitet gesprochene Informationen anders als geschriebene: Beim Sprechen aktivieren wir Areale, die mit Erinnerung und Emotionen verknüpft sind, was das Abrufen später erleichtert. Zudem berücksichtigen wir damit die Grenzen unseres Arbeitsgedächtnisses – wenn wir Gedanken direkt aufnehmen, statt sie mühsam aufzuschreiben, bleibt mehr Kapazität für neue Eindrücke.

Der richtige Zeitpunkt – wann nachfassen?

Nach der Messe erst mal durchschnaufen? Verständlich, aber riskant! Unser Gehirn speichert neue Kontakte nur kurz, wenn sie nicht verstärkt werden. Wer zu lange wartet, läuft Gefahr, in Vergessenheit zu geraten – oder selbst nicht mehr genau zu wissen, worüber gesprochen wurde. Planen Sie daher das Follow-up direkt ein: Eine kurze Nachricht innerhalb einer Woche hält den Gesprächsfaden lebendig und zeigt echtes Interesse.

MemoTipp: Unser Gedächtnis filtert Informationen gnadenlos – was nicht regelmäßig aktiviert wird, gerät in den Hintergrund. Wenn Sie bei Ihren Messekontakten im Gedächtnis bleiben wollen, gilt die goldene Regel: Melden Sie sich innerhalb einer Woche nach der Messe. So bleibt die gemeinsame Gesprächsgrundlage frisch und die Chance auf eine nachhaltige Verbindung steigt.

Die erste Nachricht – mit Emotionen in Erinnerung bleiben

Das ist für manchen leichter gesagt als getan. Erzeugen Sie ein Bild im Kopf und zeigen Sie, dass Sie sich an den Gesprächspartner erinnern. Das könnte folgendermaßen geschehen:

Statt „Schön, Sie getroffen zu haben“ schreiben Sie: „Das Beispiel mit der Azubi-Schulung fand ich genial – ich musste auf dem Heimweg noch daran denken! Lassen Sie uns das Thema vertiefen.“ Dadurch wird das Gespräch emotional verankert.

Oder:
Auf der TAXarena haben Sie mit einer Kollegin über digitale Buchhaltung gesprochen. Zwei Tage später schicken Sie eine kurze Nachricht: „Frau Müller, unser Gespräch über digitale Prozesse in der Kanzlei war spannend! Ich habe gerade einen Artikel dazu gelesen – ich leite ihn Ihnen weiter. Vielleicht tauschen wir uns dazu bald mal aus?“ Damit knüpfen Sie an das Gesprächsthema an und zeigen echten Mehrwert.

MemoTipp: Reine Fakten bleiben in unserem Gedächtnis nicht hängen – es sei denn, sie sind für uns so interessant, neu oder spannend, dass unser Gedächtnis sie doch speichert. Und da sind wir schon wieder bei den Emotionen. Eine emotionslose Verarbeitung lässt unser Gedächtnis nicht zu, unser limbisches, emotionales System beurteilt jede Information, bevor sie im Gedächtnis abgespeichert wird.

Netzwerken mit System – Kontakte langfristig pflegen

Ein einmaliges Follow-Up reicht nicht. Wer ein starkes Netzwerk aufbauen will, muss dranbleiben. Aber wie?

  1. Regelmäßige Touchpoints: Haben Sie einen relevanten Artikel oder eine Veranstaltung entdeckt? Nutzen Sie das als Anlass zur Kontaktaufnahme.
    Nutzen Sie Anlässe wie Geburtstag oder Branchennews für eine Kontaktaufnahme.
  2. Nutzen Sie die Möglichkeit zu persönlichen Treffen: Wenn Sie auf einer weiteren Veranstaltung sind, schreiben Sie: „Sind Sie auch bei der LSWB-Veranstaltung? Lassen Sie uns gemeinsam einen Kaffee trinken!“
  3. Social-Media-Strategie: Verknüpfen Sie sich auf LinkedIn und kommentieren Sie deren Beiträge – aber gezielt. Ein kluger Kommentar bleibt präsenter als ein Dutzend Likes.

Warum unser Gehirn uns beim Netzwerken oft ausbremst

Unser Gehirn liebt Effizienz – und genau das ist das Problem. Es filtert Unmengen an Informationen und speichert nur, was wirklich wichtig erscheint. Kontakte, die nicht direkt mit einem aktuellen Problem oder einer dringenden Aufgabe verknüpft sind, rutschen schnell nach hinten. Gleichzeitig neigen wir dazu, unangenehme oder unklare Aufgaben aufzuschieben – und Netzwerken ohne konkreten Anlass fühlt sich oft genauso an.

MemoTipp: Unser Gedächtnis arbeitet besonders gut mit festen Routinen und emotionalen Verknüpfungen. Wer sich beispielsweise einmal im Monat einen festen „Netzwerk-Check“ in den Kalender setzt oder sich bewusst an ein prägendes Gesprächsthema erinnert („Der Kollege mit der Leidenschaft für Oldtimer“), hält sein Netzwerk lebendig – ganz ohne Stress.

Fazit: Vom Small Talk zur echten Verbindung

Erfolgreiches Netzwerken endet nicht mit dem Austausch einer Visitenkarte. Wer nach der Messe die richtigen Emotionen anspricht, persönliche Anknüpfungspunkte nutzt und Mehrwert bietet, bleibt langfristig in Erinnerung. Steuerkanzleien profitieren von gezieltem Networking – sei es für neue Mandanten, Kooperationen oder Fachkräfte. Das Wichtigste: Ein guter Kontakt entsteht nicht durch eine einmalige Nachricht, sondern durch echte, kontinuierliche Verbindung.

INFORMATION

Julia Kunz, Dipl.-Kulturwirtin und Master of cognitive neuroscience (aon), ist Trainerin, Autorin, Coach und Inhaberin der Firma memonect. Sie und ihr Team schulen Mitarbeiter von steuer- und rechtsberatenden Kanzleien mit Themen rund um Kommunikation und Teamentwicklung für ein gutes und konstruktives Miteinander zum Wohle von Kanzlei, Mitarbeitern und Mandanten.

www.memonect.de